Veranstaltung: | Landesdelegiertenkonferenz |
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Antragsteller*in: | Landesvorstand, Landesausschuss und Ludwig Hartmann (MdL) (dort beschlossen am: 02.09.2017) |
Status: | Eingereicht |
Eingereicht: | 07.09.2017, 15:05 |
A2: Damit Bayern Heimat bleibt – Betonflut eindämmen!
Antragstext
Bayern soll sein Gesicht behalten
Jeden Tag verschwinden 13 Hektar Bayern unter Asphalt und Beton. Wiesen, Wälder
und Äcker fallen dem Bagger zum Opfer. Immer mehr Gewerbegebiete, Discountmärkte
und Logistikzentren entstehen auf der grünen Wiese. Unsere Orte verlieren an
Lebensqualität, Natur- und Ackerflächen verschwinden.
In Artikel 141 der Bayerischen Verfassung steht: „Der Boden ist als natürliche
Lebensgrundlage zu schützen.“
Boden ist nicht vermehrbar, er ist eine endliche Ressource. Ist er einmal
betoniert, asphaltiert oder bebaut, lässt sich sein natürlicher Zustand kaum
mehr restlos wiederherstellen.
Bayern droht sein Gesicht und seinen Charakter zu verlieren. Wir Grüne müssen
jetzt die Notbremse ziehen. Wir müssen die Landesplanung wieder zu dem machen,
wofür sie ursprünglich einmal geschaffen wurde: Um die Entwicklung Bayerns und
seiner Teilräume nachhaltig zu steuern und zu sichern. Dazu gehört, die nötigen
Leitplanken zu setzen. Es ist an der Zeit, gegen den Raubbau an unserem Land
vorzugehen. Deshalb haben wir das Volksbegehren zur Eindämmung der Betonflut
gestartet. Wir wollen eine verbindliche Höchstgrenze von durchschnittlich 5
Hektar pro Tag für den Flächenverbrauch einführen.
Flächensparen bedeutet konsequenten Arten- und Hochwasserschutz
Der zuletzt veröffentlichte Versiegelungsbericht untermauert, dass wir dringend
handeln müssen. Die verheerenden Zahlen belegen die deutschlandweit
unangefochtene Spitzenposition Bayerns beim Betonieren und Asphaltieren. Eine
Fläche so groß wie der Bodensee, der Chiemsee und der Starnberger See zusammen
wurde in den letzten 15 Jahren überbaut bzw. versiegelt. Und versiegelt heißt:
Kein Tropfen Wasser versickert auf diesen Flächen, nichts wächst dort, kein Tier
findet dort einen Lebensraum, kein Sonnenstrahl wird absorbiert.
Hochwassergefahren, Artensterben, Überhitzung der Siedlungsgebiete – das sind
nur drei der vielfältigen Probleme, die der ungebremste Flächenverbrauch zur
Folge hat.
Leben in die Ortskerne statt Beton in die Natur
Auch die gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und sozialen Schäden durch die
Betonflut sind gravierend.
In über Jahrhunderten gewachsenen Orten zeigt sich der „Donut-Effekt“: Die
Ränder wachsen und der Kern wird leer. Erst kommt eine neue Umgehungsstraße,
dann die Einkaufszentren mit der immer gleichen Laden-Palette und mit Hunderten
Parkplätzen vor der Tür. Der kleine Händler hält der Konkurrenz nicht stand und
muss aufgeben. Die Ortszentren bluten aus, wer ohne Auto etwas einkaufen möchte,
hat das Nachsehen. Der verstärkte Autoverkehr führt zudem zu mehr Lärm und mehr
Abgasen. Die Zersiedelung kostet unseren Städten und Gemeinden auch viel Geld:
Sie müssen sich um Infrastruktur wie Kanalisation, Wasserleitungen oder
Zufahrtsstraßen kümmern, die kaum jemand nutzt. Sie gehen in Vorleistung und
erschließen im zerstörerischen Wettbewerb mit anderen Kommunen Gewerbegebiete,
die dann weitgehend leer stehen. Mindestens 11.000 Hektar Gewerbefläche sind in
Bayern ungenutzt. Und dennoch werden immer weitere Gebiete ausgewiesen in der
meistens vergeblichen Hoffnung auf neue Unternehmen. Die landwirtschaftlichen
Flächen schrumpfen dagegen. Landwirte suchen verzweifelt nach bezahlbaren
Anbauflächen, damit sie ihren Lebensunterhalt bestreiten können. Seit dem Jahr
2000 verschwand die Nutzfläche von mehr als 8.000 landwirtschaftlichen Betrieben
unter der Planierraupe! Wo früher Kartoffeln, Weizen oder Kohl angebaut wurde,
wachsen heute Logistikzentren, riesige LKWParkplätze oder sinnlose
Umgehungsstraßen.
Von 1980 bis 2015 hat der Flächenverbrauch in Bayern um 50 Prozent zugenommen,
die bayerische Bevölkerung im gleichen Zeitraum dagegen nur um 15 Prozent. Wie
die Einwohner-Entwicklung hat sich auch das wirtschaftliche Wachstum längst
entkoppelt vom rasanten Anstieg des Flächenverbrauchs.
Die aktuellen Vorhaben von Staats- und Bundesregierung werden die Betonflut
weiter verschärfen: Die Aufweichung des Anbindegebots, ein Projekt von
Heimatminister Söder, soll das Bauen außerhalb der Ortschaften deutlich leichter
machen – was zu noch mehr Discountern, Gewerbegebieten und Logistikzentren
führen wird. Auch eine Änderung des Baugesetzbuchs aus diesem Jahr gibt dem
enthemmten Flächenfraß neue Nahrung: Künftig können Städte und Gemeinden ohne
den üblichen Beratungs- und Prüfungsprozess kleinere Baugebiete an den
Ortsrändern ausweisen.
Für ein gutes Morgen: Intelligent und flächensparend bauen
Wir Grüne schauen nicht länger zu, wie Bayern immer weiter unter Beton und
Asphalt verschwindet. Die Menschen in Bayern haben es satt, dass ständig
Gewerbegebiete und Straßen entstehen und zeitgleich ihre Ortskerne aussterben.
Gemeinsam mit engagierten Bürgerinnen und Bürgern, Parteien, Umwelt- und
Landwirtschaftsverbänden wollen wir die Betonflut durch ein Volksbegehren
eindämmen. Über diesen Weg wollen wir eine verbindliche Höchstgrenze für den
ausufernden Flächenfraß festlegen. Sie orientiert sich an der nationalen
Nachhaltigkeitsstrategie, die den Flächenverbrauch bundesweit auf 30 Hektar am
Tag begrenzen will. Die 5 ha entsprechen in etwa dem bayerischen Anteil. Das
sorgt bei Ansiedlungen von neuen Unternehmen für sparsamen Umgang mit Grund und
Boden und lässt gleichzeitig genug Raum für den Wohnungsbau. Wenn wir nur die
Hälfte der fünf Hektar für den Bau von Wohnungen nutzen, können wir jährlich
weit über 100.000 Wohnungen in Bayern errichten. Derzeit sind es weniger als die
Hälfte. Flächen, die bereits bebaut waren – etwa leerstehende Industrieflächen –
werden nicht angerechnet und bieten zusätzlichen Spielraum.
Die kommunale Planungshoheit bleibt bestehen. Gefragt ist künftig ein sparsamer
und intelligenter Umgang mit der Fläche, eine konsequente Innenentwicklung,
interkommunale Zusammenarbeit und effizientes Flächenmanagement. So halten wir
unsere Innenstädte lebendig und füllen die Ortskerne im ländlichen Raum wieder
mit Leben.
Wir wollen intelligent bauen und werden uns dafür einsetzen, dass die Kommunen
dabei mehr Hilfe bekommen. Zum Beispiel wollen wir Landkreise und kreisfreie
Städte dabei unterstützen - ähnlich den kommunalen Klimaschutzmanagern -
Flächenmanager anzustellen. Sie sollen Baulücken, Leerstände und innerörtliches
Baupotenzial aufspüren und dabei helfen, ein Ausbluten der Ortskerne zu
verhindern.
Wir wollen flächensparend bauen. Dazu braucht es oft nur einfache Maßnahmen.
Beispielsweise ist es einer Fachinformatikerin einer IT-Firma egal, ob ihr Büro
ebenerdig oder im dritten Stock liegt, ob sie ihr Elektroauto in der Tiefgarage
parkt oder vor dem Firmengebäude. Im Vergleich zur Pavillonbauweise mit
Parkplatz davor reicht bei einem Bau mit zwei Stockwerken und Tiefgarage ein
Drittel der Fläche.
Wir müssen wieder eine Balance herstellen zwischen Räumen für Mensch, Tier und
Natur auf der einen Seite und bebauten Flächen auf der anderen Seite. Wir haben
nicht mehr viel Zeit. Der Beton-Kurs der letzten Jahrzehnte hat bereits tiefe
Wunden im Gesicht Bayerns hinterlassen. Noch haben wir es in der Hand, unsere
Heimat lebendig und charakteristisch zu erhalten. Deshalb wollen wir jetzt das
Volksbegehren gemeinsam und mit aller Kraft angehen. Lasst uns die Herrschaft
der Planierraupen beenden und einen Damm gegen die Betonflut bauen – damit
Bayern Heimat bleibt!
Änderungsanträge
- Ä1 (Alfred Mayer (KV München-Stadt), Eingereicht)