Veranstaltung: | Digitaler Parteitag (LDK) |
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Antragsteller*in: | LAG Digitales und Medien (dort beschlossen am: 16.10.2020) |
Status: | Eingereicht |
Eingereicht: | 16.10.2020, 11:00 |
A18: Grüne Künstliche Intelligenz
Antragstext
Begründung
Selbstlernende und automatisiert auf Basis von Algorithmen Entscheidungen
treffende Computersysteme – oft bezeichnet als „Künstliche Intelligenz“ (KI) –
haben einen immer größeren Einfluss auf unser Leben:
Eine Ärztin berücksichtigt bei ihrer Diagnose Empfehlungen, die sie durch den
Einsatz von Deep Learning zur Auswertung von Bilddaten bei der
Computertomografie erhält. In einer Personalabteilung wird eine Vorauswahl aus
Bewerbungen sowie für Beförderungen durch eine Personalsoftware getroffen.
KI birgt das Potential, neues Wissen zu erschließen, und ermöglicht so
nachhaltigeres Handeln. Werden Algorithmen mit Bedacht eingesetzt, können sie
dazu beitragen, Diskriminierungen zu vermeiden und auf Vorurteilen beruhende
Denkmuster zu überwinden. Solche positiven Lösungen wollen wir aktiv fördern.
Ein unreflektiertes Vertrauen in KI-Systeme kann auch zu falschen Entscheidungen
führen sowie Diskriminierung und Gefahren bedeuten:
US-Gerichte verwendeten Software, die ausgehend von historischen Daten für
Inhaftierte mit schwarzer Hautfarbe eine rund doppelt so hohe
Wiederholungsgefahr prognostiziert, als für Inhaftierte mit weißer Hautfarbe.
Frauen wurde durch Computersysteme einer Bank zur automatisierten Prüfung der
Kreditwürdigkeit bei identischen Rahmenbedingungen ein niedrigeres
Kreditkartenlimit gewährt als Männern.
Es muss gesetzlich geregelt werden, dass algorithmische Entscheidungen
Vorurteile und Benachteiligungen nicht in die Zukunft tragen, systematisieren
und verstärken. Die Benachteiligungsverbote und geschützten Merkmale des
Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) und der EU-Grundrechtecharta (GrCh)
stellen hierbei nur das Minimum dar.
Diskriminierende Strukturen innerhalb eines KI-Systems haben ihren Ursprung
häufig in den Daten, mit welchen sie trainiert werden. Diese bilden die
Grundlage für selbstlernende Systeme. Daher müssen die verwendeten Datensätze
sorgfältig ausgewählt und bereinigt werden sowie hohe Anforderungen erfüllen.
Das betrifft nicht nur die Datenqualität, sondern auch ethische Gesichtspunkte.
Die Entwicklung und der Einsatz von Künstlicher Intelligenz müssen sich am Wohl
der Menschen orientieren. Ein grenzenloses Streben nach kommerziellem Erfolg
unter Verletzung von Privatsphäre und Minderheitenschutz ist nicht der
europäische Weg. Was technisch möglich ist, muss nicht zwingend sinnvoll sein.
Ein besonderes Augenmerk verdienen dabei Medienintermediäre, die durch die
Auswahl von Inhalten (Empfehlungssysteme, Mikrotargeting) großen Einfluss auf
politische Entwicklungen haben können.
Der Einsatz von KI-Systemen durch den Staat muss an besonders strikte
Voraussetzungen geknüpft sein, insbesondere hinsichtlich Transparenz,
unabhängiger Auditierung, Rechtschutz und dem Vorbehalt von menschlichen
Entscheidungen.
Die Regulierung sollte auf europäischer Ebene erfolgen, um europaweit
einheitliche Rahmenbedingungen zu erreichen. Bestimmte Aspekte lassen sich
bereits jetzt in Bayern umsetzen. Dazu zählen ein Verbot des Einsatzes von KI-
Systemen durch den Staat bei nicht zu rechtfertigendem Schädigungspotential, ein
massiver Ausbau von Forschung und Bildung sowie eine gezielte Förderung der
Wirtschaft bei der Entwicklung von KI, die dem Wohle von Mensch und Natur dient.
Forderungen
- Diskriminierungsfreiheit: KI-Systeme müssen so gestaltet werden, dass sie
Diskriminierung und systemische Verzerrungen (Bias) minimieren und unsere
Welt gerechter und inklusiver machen. Diskriminierung und Bias sind
angemessen aus Datenbeständen für KI-Systeme zu entfernen. Teams zur
Entwicklung von KI-Systemen sollen divers besetzt sein.
- Transparenz: Der Einsatz von KI-Systemen muss transparent erfolgen. Der
Einsatz solcher Systeme ist offenzulegen (Kennzeichnung), die Systeme
müssen soweit wie möglich nachvollziehbar und überprüfbar sein
(Explainable AI). In bestimmten Szenarien sollen Betroffene eine Auskunft
verlangen können, welche Faktoren zu einer negativen Entscheidung geführt
haben (kontrafaktische Erklärungen).
- Datenschutz: KI-Systeme müssen den Anforderungen an den Datenschutz
entsprechen. Es sind angemessene Maßnahmen zu ergreifen, um
unbeabsichtigte Rückschlüsse auf einzelne Personen zu verhindern
(Differential Privacy).
- Datenqualität, Robustheit und Sicherheit: Die verwendeten Daten müssen die
bestmögliche Datenqualität aufweisen. Es sind angemessene Maßnahmen zum
Schutz gegen Manipulationen der Daten und der KI-Systeme (Adversarial
Machine Learning) zu treffen und ein ordnungsgemäßer Betrieb der KI-
Systeme sicherzustellen.
- Abgestufte Regulierung: Je höher das Schädigungspotential ist, desto
höhere Anforderungen sind hinsichtlich der vorgenannten Kriterien an KI-
Systeme zu stellen. Dafür braucht es klare, abgestufte Regeln. Das
Schädigungspotential bestimmt sich etwa durch die Sensibilität der
betroffenen Bereiche, die Schwere des Eingriffs, die Anzahl der
betroffenen Personen sowie die Reversibilität der Entscheidung. Bereits ab
einem niedrigen Schädigungspotential hat eine Risikofolgenabschätzung zu
erfolgen. Einsatzfelder mit nicht vertretbarem Schädigungspotential müssen
verboten werden (bspw. autonome Waffensysteme und Gesichtserkennung auf
öffentlichen Plätzen).
- Haftung, Kontrolle und Rechtsschutz: Der Einsatz von KI-Systemen muss von
natürlichen oder juristischen Personen verantwortet werden. KI-Systeme
sind zu dokumentieren und der Einsatz zu protokollieren, um das Entdecken
von Fehlern zu ermöglichen. Aufsichtsbehörden müssen über ausreichende
Rechte und Ressourcen verfügen, um Verstöße erkennen, abstellen und
sanktionieren zu können. Unerlässlich hierfür ist ein umfassendes
Auditrecht. Zertifizierung und Standardisierung können dies flankieren.
Betroffenen müssen geeignete Rechte zustehen und sie diese zügig und
wirksam durchsetzen können.
- Nachhaltigkeit: KI-Systeme müssen ökologisch und sozial nachhaltig sein
(Sustainable AI). Der Ressourcenbedarf beim Trainieren von KI-Systemen ist
zu minimieren. Rebound-Effekte sollen vermieden werden.
- Forschung und Bildung: Die Forschung für KI ist umfänglich auszubauen,
sowohl in Bezug auf Grundlagen- als auch auf angewandte Forschung und
sowohl in Bezug auf in Geräten und Robotern eingesetzte KI als auch auf
geräteunabhängige KI (Embodied AI und Disembodied AI). Ein Schwerpunkt ist
auf die bestmögliche Umsetzung der anfangs genannten Kriterien an KI-
Systeme zu legen. Für Ausbildung und Weiterbildung sind ausreichend
Personal und Mittel zur Verfügung zu stellen, um genügend Fachkräfte für
den Bereich KI zu qualifizieren. Aktuell unterrepräsentierte
Bevölkerungsgruppen gilt es besonders zu fördern. In der Schulbildung
müssen für KI relevante Fächer wie Informatik gestärkt und Kompetenzen wie
kritische Reflektion gefördert werden.
- Förderung der Wirtschaft: Der Einsatz von KI in der Wirtschaft soll
gefördert werden. Dies umfasst Angebote für Schulung und Beratung.
Grundvoraussetzung für eine Förderung muss sein, dass das Vorhaben im
Einklang mit unseren europäischen Werten steht. Unser Ziel ist es, Europa
als von bisherigen Hauptakteuren aus den USA und China unabhängigen
Standort für KI zu stärken. Durch die Bereitstellung von geeigneten und
hochqualitativen Daten von Behörden und Wissenschaft (Open Data) sollen
innovative Lösungen ermöglicht werden.
Unterstützer*innen
- Kilian Gumpp (KV Dillingen)
- Benedikt Clemens Mader (KV Erlangen-Stadt)
- Rolf Thärichen (KV Weilheim-Schongau)
- Harald Damskis (KV München)
- Benjamin Sertl (KV Tirschenreuth)
- Angela Buettner (KV München)
- Susanne Grohs-v. Reichenbach (KV München)
- Jarl Hengstmengel (KV Augsburg-Stadt)
- Michael Seyfried (KV München)
- Alexandra Nürnberger (KV München)
- Judith Bogner (KV Mühldorf)
- Dorothee Sonntag (Sührig) (KV Weilheim-Schongau)
- Uschi Sorg (KV Weilheim-Schongau)
- Heike Dietrich (KV Weilheim-Schongau)
- Annette Schulze (KV Weilheim-Schongau)
- Brigitte Gronau (KV Weilheim-Schongau)
- Markus Keller (KV Weilheim-Schongau)
- Ingo Werner (KV Landsberg-Lech)
- Heidi von Varendorff (KV Landsberg-Lech)
- Victor Behrends (KV Bamberg-Land)
Kommentare
Ulrich Welzel:
Victor Behrends: