Die Wandlungs- und Gestaltungsvisionen sollten weiter aufgestellt sein!
Der Begriff Wohlstand muss mit Grünen Werten ausgestattet sein, sonst geht es nur um´s Geld!
Antrag: | Bayerische Autozulieferregionen retten – Jetzt die Jobs von morgen schaffen! |
---|---|
Antragsteller*in: | Aron Skopp (KV Nürnberg-Stadt), Axel Lindner (KV Erlangen-Land) |
Status: | Geprüft |
Verfahrensvorschlag: | Modifizierte Übernahme |
Eingereicht: | 21.10.2020, 11:57 |
Bayerische Autozulieferregionen retten – Jetzt die Jobs von morgen schaffen!
I. Status Quo in der Autozuliefererindustrie
Rund 25,8 Prozent der in Deutschland produzierten Autos (Kraftwagen und
Kraftwagenteile) stammen aus dem Freistaat. In Bayern sind ca. 237.000
Beschäftigte in mehr als 1100 Unternehmen in der Automobilzulieferindustrie
tätig. Dazu zählen sowohl die drei Unternehmenszentralen international tätiger
bayerischer Großkonzerne wie BMW, Audi und MAN, als auch Zulieferer-Spezialisten
wie Brose, Bosch und Schaeffler und viele weitere kleine und mittelständische
Unternehmen (KMUs), die an bayerischen Standorten Auto-Komponenten für den
Welthandel produzieren.
Beispielregion Oberfranken
Die Branche der Automobilzuliefererindustrie prägt die Region Oberfranken. In
den Betrieben sind über 40.000 Menschen beschäftigt, das ist ein Viertel aller
Industriearbeitsplätze in der Region. Die Zuliefererindustrie hat über viele
Jahrzehnte Wohlstand gebracht. In den großen Betrieben entstanden gut bezahlte,
abgesicherte Arbeitsplätze. Die kleineren Betriebe stehen für Erfindergeist,
Speziallösungen und mittelständisches Know-How auf Spitzenniveau.
Die starke Spezialisierung der Automobil-Branche war einst eine Stärke für
Oberfranken, heute ist sie eine Belastung. Die Nachwirkungen des Dieselskandals,
der sich global zuspitzende Konkurrenz- und Innovationsdruck und die Umstellung
auf Elektromotoren werden durch die wirtschaftlichen Folgen der Corona-Pandemie
nicht nur sichtbar, sondern auch verstärkt. Am Beispiel des Landkreises Bamberg
offenbaren sich die Folgen für eine einseitig von der Branche abhängigen Region:
Binnen kürzester Zeit mussten Unternehmen wie Michelin, Bosch und Schaeffler
Werke schließen, Stellen kürzen oder ihre Beschäftigten in Kurzarbeit schicken.
Strukturwandel & Corona - Die zwei Herausforderungen der Automobilbranche
Die Region Oberfranken ist kein Einzelfall. In anderen Autoregionen in Bayern
gibt es ebenfalls Handlungsdruck. Schon vor Corona steckte die deutsche
Automobilindustrie tief in der durch fehlende Innovation zum Teil
selbstverursachten Krise. Im Jahr 2019 wurden so wenig Autos in Deutschland
produziert wie zuletzt vor 21 Jahren. Die Corona-Pandemie hat diese Lage weiter
verschärft.
Die grüne Transformation in anderen Teilen der Welt hat bereits begonnen, der
Strukturwandel ist nicht aufzuhalten. In China und den USA wurden allein 2018
knapp 1,5 Mio. E-Autos verkauft, Tendenz weltweit steigend. Bereits 2040 will
Frankreich keine neuen Verbrennungsmotoren zulassen, die Niederlande 2035,
Norwegen schon 2025. Zudem verlangt die EU-Klimaschutzgesetzgebung CO2-
Flottengrenzwerte. Reine Produktion von fossilen Verbrennerautos geht damit für
kein Unternehmen mehr.
Zugleich muss ab 2020 die Bundesregierung und damit anteilig auch Bayern schon
im Wert von 300 Millionen Euro Verschmutzungsrechte zukaufen, weil wir unsere
europäischen Klimaziele verfehlen. 2022 bis 2030 können es dann bis zu 60
Milliarden werden. Das ist ökonomisch unsinnig und schafft keine wirtschaftliche
Planungssicherheit, es ist zudem eine vermeidbare Hypothek auf die Zukunft
unserer Kinder auf diesem Planeten. Wir Grüne nehmen diesen Wandel als
Herausforderung an und sehen und gestalten ihn als Chance. Um Arbeitsplätze zu
erhalten und ein prosperierender wirtschaftlicher Standort zu bleiben, wollen
wir den Transformationsprozess tatkräftig und umfassend einleiten und endlich
moderne Mobilitätsformen entwickeln. Lasst uns jetzt die Jobs von morgen
schaffen!
II. Beschäftigte stärken, Know-How nutzen, neue Wege gehen
Die Zukunftsfähigkeit der Automobilbranche hängt an ihrer Innovationskraft. Das
größte Kapital dafür sind die Menschen und ihr Know-How. Die Kompetenzen reichen
von der Montage und Fertigung bis in die Entwicklung. Nur zusammen mit den
Beschäftigten werden zukunftsfähige Produkte mit den vorhandenen Kompetenzen
auch jenseits des Automobils entwickelt und produziert. Die
Produktionsumstellungen der letzten Monate (Herstellung von Schutzmasken) sind
ein gutes Beispiel dafür, wie flexibel der bayerische Maschinen- und Anlagenbau
ist. Der weitere Kompetenzaufbau durch Qualifizierung und Qualifizierungszeiten
ist auch vor dem Hintergrund der Digitalisierung dringend nötig und bietet neue
Perspektiven.
Die Corona-Krise darf nicht als Ausrede genutzt werden, um sowieso beschlossene
Kurzarbeit und Stellenabbau zu rechtfertigen. Die Beschäftigten wissen seit
langem um die Krise in der Autoindustrie. Es liegen viele umsatzstarke Jahre und
bewusst herbeigeführte Überkapazitäten hinter der Branche, die bereits vor der
Corona-Krise aufgelaufen sind. Beschäftigungssicherungen wurden mit
Kostenreduzierungen und Sparpaketen erkauft. Diese Vereinbarungen sind durch
Corona in Gefahr, betriebsbedingte Kündigungen in einigen Fällen sind möglich.
Eine Hilfe für die Beschäftigten der Automobilindustrie muss das verhindern,
denn sie sind in der Krise in Vorleistung gegangen und müssen jetzt als
Träger*innen der Transformation und des Wandels mitgenommen werden.
Kleinere Unternehmen miteinbeziehen
Die Zulieferer leiden seit Jahren unter dem großen Kostendruck der Hersteller.
Bei der anstehenden Transformation gilt es, alle Zulieferbetriebe, die noch für
die Automobilindustrie produzieren, in den Blick nehmen: nicht nur die großen
Erstzulieferer (die direkt an die Autokonzerne liefern wie z.B. Schaeffler),
sondern auch die vielen kleinen mittelständischen Betriebe der zweiten und
dritten Lieferkette.
Vorhandene Innovationskraft heben
Viele Betriebe haben auch unter schwierigen Bedingungen Produkte für veränderte
Gegebenheiten entwickelt, z.B Schaeffler mit dem elektromechanischen
Nockenwellenversteller, und ZF Friedrichshafen mit dem Drehmomentwandler. Andere
Zulieferer haben seit jeher mehrere Standbeine, z.B. Kennametal im Landkreis
Forchheim mit 500 Mitarbeiter*innen, die auch Werkzeuge für die Kakaoindustrie
und die Luft- und Raumfahrttechnik liefert und Schneidkörper für Wälzlager von
Windkraftwerken produziert. Wir Grüne wollen diese Diversität fördern. Für
Unternehmen, die eine Diversifizierung aus eigener Kraft nicht schaffen, bedarf
es Unterstützung bei der Transformation zu nachhaltigen und klimafreundlichen
Produkten.
Von der Autobranche zur Mobilitätsbranche
Die Autoproduktion alleine wird die Arbeitsplätze in der Branche nicht sichern
können. Denken wir die Autobranche als Mobilitätsbranche und
Mobilitätsdienstleister. Dabei geht es neben der Weiterentwicklung des
Automobils auch um neue Produkte und Dienstleistungen vom Lastenfahrrad bis zum
digitalen Rufbus auf dem Dorf und von der Ladesäulenproduktion bis hin zur
Softwareentwicklung. Eine diversifizierte Mobilitätsindustrie sorgt für
krisenstabile Arbeitsplätze und begünstigt eine klimaschonende Mobilität. Es
wird in Zukunft nicht mehr nötig sein, weder für unsere Industrie noch für den
(welt)-weiten Verkehrslebensstil, dass Deutschland noch 6 Millionen Autos im
Jahr produziert. Und für eine klimaneutrale Welt auch nicht wünschenswert.
Die Energiewende wieder zum Job-Motor machen
Das EEG hat die Energiewende einst zum Job-Motor in vielen Branchen gemacht: vom
Handwerk über Zulieferbetriebe bis zur Industrie. Indem wir den Ausbau der
Erneuerbaren Energien beschleunigen, bieten wir auch Beschäftigten aus der
Autobranche neue Perspektiven. Denn die Mobilität von morgen braucht sowohl für
die Produktion als auch für den Antrieb grünen Strom und in der Stahl-
Herstellung sowie für den Antrieb im Nutzfahrzeugbereich grünen Wasserstoff.
III. Was jetzt getan werden muss
Unsere Vision:
Wir fordern:
1. Leitplanken für die Autoindustrie in Deutschland
Die Automobilzuliefererbetriebe brauchen endlich politische Rahmenbedingungen
von Landes- und Bundesregierung, wo die verkehrspolitische Reise hingehen wird.
Laut Branchenverbänden ist es für die Zulieferer wichtig zu wissen, wann
langfristig der Verbrenner ausläuft, um sich darauf einstellen und die neuen
Vorgaben für das emissionsfreie Auto umzusetzen. Wir Grüne sind überzeugt: Ein
festes Ausstiegsdatum wird Innovationen befördern. Deshalb wollen wir ein Ende
für den Verbrennungsmotor im Jahr 2030!
2. Regionale Innovationscluster gründen!
Wir wollen Innovationscluster gründen, am Beispiel Franken zusammen mit der
Metropolregion Nürnberg, den regionalen IHKen und den Kommunen.
a) In den Regionen sprechen die Bürger*innen und Arbeitnehmer*innen in
Transformationsbeiräten mit, die Teil des Innovationsclusters sein sollen.
b) Ökologischen Transformationsfonds schaffen
Wir Grüne wollen die kleinen und mittelständischen Unternehmen in Bayern bei der
sozial-ökologischen Transformation ihrer Produkte und Produktionsprozesse
bestmöglich unterstützen, damit diese den Strukturwandel bewältigen können. Dazu
setzen wir auf einen bayerischen ökologischen Transformationsfonds mit einem
Startkapital von 300 Mio. Euro, mit dessen Hilfe u.a. die Zulieferbetriebe in
der zweiten und dritten Reihe der Automobilindustrie in Zukunftstechnologien
investieren können, z.B. neue Batterietechnologien, grüner Wasserstoff Außerdem
soll der Fonds regionale Zusammenschlüsse von Forschungs- und Industrieverbänden
unterstützen, um diese Mammutaufgabe an Komplexität und fachlicher
Vielschichtigkeit zu bewältigen und gleichzeitig die globale
Wettbewerbsfähigkeit zu sichern.
c) Potenziale der Wissenschaft nutzen
Universitäten und Hochschulen können als Impulsgeber ihrer Region wirken und in
Zusammenarbeit mit Unternehmen die Transformation gestalten. Ihre Stärke ist
neben kontinuierlicher technischer Innovation vor allem die Einbindung in
Netzwerke und Strukturen vor Ort. Im Zuge des Technologietransfers gibt es
bereits gute Beispiele gelingender Kooperation, die jedoch häufig auf Initiative
einzelner Personen entstehen und von ihnen getragen werden. Eine
Institutionalisierung gibt es oft nicht, auch die Einbindung in eine landesweite
Wissenschaftsstrategie fehlt. Gerade diese wäre aber nötig, sollen Universitäten
und Hochschulen ihre Potenziale im Zuge der Transformation ausschöpfen können.
Neben einem expliziten politischen Auftrag geht es dabei auch um die Ausstattung
mit finanziellen Mitteln, insbesondere für wissenschaftliches Personal.
Gleichzeitig bedürfen die Inhalte mancher MINT-Studiengänge einer Überarbeitung.
Universitäten und Hochschulen müssen ihre Absolvent*innen für die (Arbeits-)Welt
von morgen befähigen und auch deshalb bereits in der Lehre den Blick verstärkt
auf Zukunftstechniken und nicht mehr auf den Verbrennungsmotor richten.
3. Fördermittel an zukunftsfähige Innovation knüpfen
Die Zulieferindustrie mit ihren zahlreichen mittelständischen Unternehmen spielt
eine zentrale Rolle bei der Erholung des Wirtschaftsstandorts Bayern.
Konjunkturmittel von Bund und Land müssen an mittelständische Unternehmen gehen
und diese bei der Ökologisierung ihrer Produkte und Produktionsprozesse und bei
der Bewältigung des Strukturwandels bestmöglich unterstützen. Der Empfang von
Fördermitteln wird an zukunftsfähige Innovation geknüpft, z.B. die
Weiterentwicklung der Batterietechnologie und alternative Antriebe für PKW,
Förderung für Betriebe, die auf Geschäftsmodelle wie Carsharing umsteigen
wollen, etc. So schaffen wir krisenfeste und nachhaltige Strukturen mit einem
vielfältigen Diversifizierungspotenzial.
4. Soziale Absicherung der Transformation
Wir begrüßen die Beschlüsse der Bundesregierung zur Verlängerung des
erleichterten Zugangs zum Kurzarbeitergeld (bis zu 48 Monate), sofern
Beschäftigte parallel weitergebildet werden und wollen dies zum Qualifizierungs-
Kurzarbeitergeld weiterentwickeln. Die Kurzarbeit muss in Branchen der
Transformation gerade in größeren Unternehmen – unter für die Unternehmen
machbaren Voraussetzungen – für Qualifizierung genutzt werden. So wirkt das
Kurzarbeitergeld als echte Investition in die Zukunft und ermöglicht die
Weiterbildung und Qualifizierung der Beschäftigten.
Gerade in Krisenzeiten ist es darüber hinaus wichtig, die Gestaltungskompetenzen
der Betriebsräte für den sozial-ökologischen Umbau einzubeziehen. Zeitnah müssen
durch Gewerkschaft und Unternehmen Zukunftstarifverträge geschlossen werden,
transparente Transformationskonzepte vorlegen, die Arbeitnehmer*innen vor
unerwartete Arbeitsplatzverlust und Lohneinbußen schützt und die Region mit
Standortgarantien stärkt.
5. Diversifizierung statt Monostruktur
Eine einseitige Abhängigkeit ganzer Regionen von Automobilindustrie und
Zulieferern ist ein standortpolitischer Nachteil. Deshalb setzen wir auf die
Diversifizierung von Produkten und Dienstleistungen, um neue Arbeitsplätze zu
schaffen. Eine breite Streuung an Geschäftsfeldern in der Unternehmensstruktur
einer Region bietet eine höhere Resilienz gegenüber Risiken durch konjunkturelle
Schwankungen und technologische Umbrüche. Ein Beispiel: Die massive Ausweitung
des öffentlichen Nahverkehrs bietet dezentrale und große neue Jobperspektiven in
vielfältigen Berufen. Der ÖPNV und die Bahn zusammen bieten bereits heute
bundesweit annähernd so viele Arbeitsplätze wie die Automobilbranche. Zu den für
den Betrieb nötigen Arbeitsplätzen kommen Perspektiven für die
Nutzfahrzeugindustrie samt Zulieferern in den Bereichen Busse und
Schienenfahrzeuge aber auch innovative neue Segmente wie autonom fahrender ÖPNV,
digitale basierte onDemand-Lösungen, multimodale Verkehrsangebote, elektronische
Tarif- und Ticketsysteme sowie der Bauwirtschaft für die Errichtung der dafür
nötigen Infrastruktur.
Bayerische Autozulieferregionen retten – Jetzt die Jobs von morgen schaffen!
I. Status Quo in der Autozuliefererindustrie
Rund 25,8 Prozent der in Deutschland produzierten Autos (Kraftwagen und
Kraftwagenteile) stammen aus dem Freistaat. In Bayern sind ca. 237.000
Beschäftigte in mehr als 1100 Unternehmen in der Automobilzulieferindustrie
tätig. Dazu zählen sowohl die drei Unternehmenszentralen international tätiger
bayerischer Großkonzerne wie BMW, Audi und MAN, als auch Zulieferer-Spezialisten
wie Brose, Bosch und Schaeffler und viele weitere kleine und mittelständische
Unternehmen (KMUs), die an bayerischen Standorten Auto-Komponenten für den
Welthandel produzieren.
Beispielregion Oberfranken
Die Branche der Automobilzuliefererindustrie prägt die Region Oberfranken. In
den Betrieben sind über 40.000 Menschen beschäftigt, das ist ein Viertel aller
Industriearbeitsplätze in der Region. Die Zuliefererindustrie hat über viele
Jahrzehnte Wohlstand gebracht. In den großen Betrieben entstanden gut bezahlte,
abgesicherte Arbeitsplätze. Die kleineren Betriebe stehen für Erfindergeist,
Speziallösungen und mittelständisches Know-How auf Spitzenniveau.
Die starke Spezialisierung der Automobil-Branche war einst eine Stärke für
Oberfranken, heute ist sie eine Belastung. Die Nachwirkungen des Dieselskandals,
der sich global zuspitzende Konkurrenz- und Innovationsdruck und die Umstellung
auf Elektromotoren werden durch die wirtschaftlichen Folgen der Corona-Pandemie
nicht nur sichtbar, sondern auch verstärkt. Am Beispiel des Landkreises Bamberg
offenbaren sich die Folgen für eine einseitig von der Branche abhängigen Region:
Binnen kürzester Zeit mussten Unternehmen wie Michelin, Bosch und Schaeffler
Werke schließen, Stellen kürzen oder ihre Beschäftigten in Kurzarbeit schicken.
Strukturwandel & Corona - Die zwei Herausforderungen der Automobilbranche
Die Region Oberfranken ist kein Einzelfall. In anderen Autoregionen in Bayern
gibt es ebenfalls Handlungsdruck. Schon vor Corona steckte die deutsche
Automobilindustrie tief in der durch fehlende Innovation zum Teil
selbstverursachten Krise. Im Jahr 2019 wurden so wenig Autos in Deutschland
produziert wie zuletzt vor 21 Jahren. Die Corona-Pandemie hat diese Lage weiter
verschärft.
Die grüne Transformation in anderen Teilen der Welt hat bereits begonnen, der
Strukturwandel ist nicht aufzuhalten. In China und den USA wurden allein 2018
knapp 1,5 Mio. E-Autos verkauft, Tendenz weltweit steigend. Bereits 2040 will
Frankreich keine neuen Verbrennungsmotoren zulassen, die Niederlande 2035,
Norwegen schon 2025. Zudem verlangt die EU-Klimaschutzgesetzgebung CO2-
Flottengrenzwerte. Reine Produktion von fossilen Verbrennerautos geht damit für
kein Unternehmen mehr.
Zugleich muss ab 2020 die Bundesregierung und damit anteilig auch Bayern schon
im Wert von 300 Millionen Euro Verschmutzungsrechte zukaufen, weil wir unsere
europäischen Klimaziele verfehlen. 2022 bis 2030 können es dann bis zu 60
Milliarden werden. Das ist ökonomisch unsinnig und schafft keine wirtschaftliche
Planungssicherheit, es ist zudem eine vermeidbare Hypothek auf die Zukunft
unserer Kinder auf diesem Planeten. Wir Grüne nehmen diesen Wandel als
Herausforderung an und sehen und gestalten ihn als Chance. Um Arbeitsplätze zu
erhalten und ein prosperierender wirtschaftlicher Standort zu bleiben, wollen
wir den Transformationsprozess tatkräftig und umfassend einleiten und endlich
moderne Mobilitätsformen entwickeln. Lasst uns jetzt die Jobs von morgen
schaffen!
II. Beschäftigte stärken, Know-How nutzen, neue Wege gehen
Die Zukunftsfähigkeit der Automobilbranche hängt an ihrer Innovationskraft. Das
größte Kapital dafür sind die Menschen und ihr Know-How. Die Kompetenzen reichen
von der Montage und Fertigung bis in die Entwicklung. Nur zusammen mit den
Beschäftigten werden zukunftsfähige Produkte mit den vorhandenen Kompetenzen
auch jenseits des Automobils entwickelt und produziert. Die
Produktionsumstellungen der letzten Monate (Herstellung von Schutzmasken) sind
ein gutes Beispiel dafür, wie flexibel der bayerische Maschinen- und Anlagenbau
ist. Der weitere Kompetenzaufbau durch Qualifizierung und Qualifizierungszeiten
ist auch vor dem Hintergrund der Digitalisierung dringend nötig und bietet neue
Perspektiven.
Die Corona-Krise darf nicht als Ausrede genutzt werden, um sowieso beschlossene
Kurzarbeit und Stellenabbau zu rechtfertigen. Die Beschäftigten wissen seit
langem um die Krise in der Autoindustrie. Es liegen viele umsatzstarke Jahre und
bewusst herbeigeführte Überkapazitäten hinter der Branche, die bereits vor der
Corona-Krise aufgelaufen sind. Beschäftigungssicherungen wurden mit
Kostenreduzierungen und Sparpaketen erkauft. Diese Vereinbarungen sind durch
Corona in Gefahr, betriebsbedingte Kündigungen in einigen Fällen sind möglich.
Eine Hilfe für die Beschäftigten der Automobilindustrie muss das verhindern,
denn sie sind in der Krise in Vorleistung gegangen und müssen jetzt als
Träger*innen der Transformation und des Wandels mitgenommen werden.
Kleinere Unternehmen miteinbeziehen
Die Zulieferer leiden seit Jahren unter dem großen Kostendruck der Hersteller.
Bei der anstehenden Transformation gilt es, alle Zulieferbetriebe, die noch für
die Automobilindustrie produzieren, in den Blick nehmen: nicht nur die großen
Erstzulieferer (die direkt an die Autokonzerne liefern wie z.B. Schaeffler),
sondern auch die vielen kleinen mittelständischen Betriebe der zweiten und
dritten Lieferkette.
Vorhandene Innovationskraft heben
Viele Betriebe haben auch unter schwierigen Bedingungen Produkte für veränderte
Gegebenheiten entwickelt, z.B Schaeffler mit dem elektromechanischen
Nockenwellenversteller, und ZF Friedrichshafen mit dem Drehmomentwandler. Andere
Zulieferer haben seit jeher mehrere Standbeine, z.B. Kennametal im Landkreis
Forchheim mit 500 Mitarbeiter*innen, die auch Werkzeuge für die Kakaoindustrie
und die Luft- und Raumfahrttechnik liefert und Schneidkörper für Wälzlager von
Windkraftwerken produziert. Wir Grüne wollen diese Diversität fördern. Für
Unternehmen, die eine Diversifizierung aus eigener Kraft nicht schaffen, bedarf
es Unterstützung bei der Transformation zu nachhaltigen und klimafreundlichen
Produkten.
Von der Autobranche zur Mobilitätsbranche
Die Autoproduktion alleine wird die Arbeitsplätze in der Branche nicht sichern
können. Denken wir die Autobranche als Mobilitätsbranche und
Mobilitätsdienstleister. Dabei geht es neben der Weiterentwicklung des
Automobils auch um neue Produkte und Dienstleistungen vom Lastenfahrrad bis zum
digitalen Rufbus auf dem Dorf und von der Ladesäulenproduktion bis hin zur
Softwareentwicklung. Eine diversifizierte Mobilitätsindustrie sorgt für
krisenstabile Arbeitsplätze und begünstigt eine klimaschonende Mobilität. Es
wird in Zukunft nicht mehr nötig sein, weder für unsere Industrie noch für den
(welt)-weiten Verkehrslebensstil, dass Deutschland noch 6 Millionen Autos im
Jahr produziert. Und für eine klimaneutrale Welt auch nicht wünschenswert.
Die Energiewende wieder zum Job-Motor machen
Das EEG hat die Energiewende einst zum Job-Motor in vielen Branchen gemacht: vom
Handwerk über Zulieferbetriebe bis zur Industrie. Indem wir den Ausbau der
Erneuerbaren Energien beschleunigen, bieten wir auch Beschäftigten aus der
Autobranche neue Perspektiven. Denn die Mobilität von morgen braucht sowohl für
die Produktion als auch für den Antrieb grünen Strom und in der Stahl-
Herstellung sowie für den Antrieb im Nutzfahrzeugbereich grünen Wasserstoff.
III. Was jetzt getan werden muss
Unsere Vision:
Wir fordern:
1. Leitplanken für die Autoindustrie in Deutschland
Die Automobilzuliefererbetriebe brauchen endlich politische Rahmenbedingungen
von Landes- und Bundesregierung, wo die verkehrspolitische Reise hingehen wird.
Laut Branchenverbänden ist es für die Zulieferer wichtig zu wissen, wann
langfristig der Verbrenner ausläuft, um sich darauf einstellen und die neuen
Vorgaben für das emissionsfreie Auto umzusetzen. Wir Grüne sind überzeugt: Ein
festes Ausstiegsdatum wird Innovationen befördern. Deshalb wollen wir ein Ende
für den Verbrennungsmotor im Jahr 2030!
2. Regionale Innovationscluster gründen!
Wir wollen Innovationscluster gründen, am Beispiel Franken zusammen mit der
Metropolregion Nürnberg, den regionalen IHKen und den Kommunen.
a) In den Regionen sprechen die Bürger*innen und Arbeitnehmer*innen in
Transformationsbeiräten mit, die Teil des Innovationsclusters sein sollen.
b) Ökologischen Transformationsfonds schaffen
Wir Grüne wollen die kleinen und mittelständischen Unternehmen in Bayern bei der
sozial-ökologischen Transformation ihrer Produkte und Produktionsprozesse
bestmöglich unterstützen, damit diese den Strukturwandel bewältigen können. Dazu
setzen wir auf einen bayerischen ökologischen Transformationsfonds mit einem
Startkapital von 300 Mio. Euro, mit dessen Hilfe u.a. die Zulieferbetriebe in
der zweiten und dritten Reihe der Automobilindustrie in Zukunftstechnologien
investieren können, z.B. neue Batterietechnologien, grüner Wasserstoff Außerdem
soll der Fonds regionale Zusammenschlüsse von Forschungs- und Industrieverbänden
unterstützen, um diese Mammutaufgabe an Komplexität und fachlicher
Vielschichtigkeit zu bewältigen und gleichzeitig die globale
Wettbewerbsfähigkeit zu sichern.
c) Potenziale der Wissenschaft nutzen
Universitäten und Hochschulen können als Impulsgeber ihrer Region wirken und in
Zusammenarbeit mit Unternehmen die Transformation gestalten. Ihre Stärke ist
neben kontinuierlicher technischer Innovation vor allem die Einbindung in
Netzwerke und Strukturen vor Ort. Im Zuge des Technologietransfers gibt es
bereits gute Beispiele gelingender Kooperation, die jedoch häufig auf Initiative
einzelner Personen entstehen und von ihnen getragen werden. Eine
Institutionalisierung gibt es oft nicht, auch die Einbindung in eine landesweite
Wissenschaftsstrategie fehlt. Gerade diese wäre aber nötig, sollen Universitäten
und Hochschulen ihre Potenziale im Zuge der Transformation ausschöpfen können.
Neben einem expliziten politischen Auftrag geht es dabei auch um die Ausstattung
mit finanziellen Mitteln, insbesondere für wissenschaftliches Personal.
Gleichzeitig bedürfen die Inhalte mancher MINT-Studiengänge einer Überarbeitung.
Universitäten und Hochschulen müssen ihre Absolvent*innen für die (Arbeits-)Welt
von morgen befähigen und auch deshalb bereits in der Lehre den Blick verstärkt
auf Zukunftstechniken und nicht mehr auf den Verbrennungsmotor richten.
3. Fördermittel an zukunftsfähige Innovation knüpfen
Die Zulieferindustrie mit ihren zahlreichen mittelständischen Unternehmen spielt
eine zentrale Rolle bei der Erholung des Wirtschaftsstandorts Bayern.
Konjunkturmittel von Bund und Land müssen an mittelständische Unternehmen gehen
und diese bei der Ökologisierung ihrer Produkte und Produktionsprozesse und bei
der Bewältigung des Strukturwandels bestmöglich unterstützen. Der Empfang von
Fördermitteln wird an zukunftsfähige Innovation geknüpft, z.B. die
Weiterentwicklung der Batterietechnologie und alternative Antriebe für PKW,
Förderung für Betriebe, die auf Geschäftsmodelle wie Carsharing umsteigen
wollen, etc. So schaffen wir krisenfeste und nachhaltige Strukturen mit einem
vielfältigen Diversifizierungspotenzial.
4. Soziale Absicherung der Transformation
Wir begrüßen die Beschlüsse der Bundesregierung zur Verlängerung des
erleichterten Zugangs zum Kurzarbeitergeld (bis zu 48 Monate), sofern
Beschäftigte parallel weitergebildet werden und wollen dies zum Qualifizierungs-
Kurzarbeitergeld weiterentwickeln. Die Kurzarbeit muss in Branchen der
Transformation gerade in größeren Unternehmen – unter für die Unternehmen
machbaren Voraussetzungen – für Qualifizierung genutzt werden. So wirkt das
Kurzarbeitergeld als echte Investition in die Zukunft und ermöglicht die
Weiterbildung und Qualifizierung der Beschäftigten.
Gerade in Krisenzeiten ist es darüber hinaus wichtig, die Gestaltungskompetenzen
der Betriebsräte für den sozial-ökologischen Umbau einzubeziehen. Zeitnah müssen
durch Gewerkschaft und Unternehmen Zukunftstarifverträge geschlossen werden,
transparente Transformationskonzepte vorlegen, die Arbeitnehmer*innen vor
unerwartete Arbeitsplatzverlust und Lohneinbußen schützt und die Region mit
Standortgarantien stärkt.
5. Diversifizierung statt Monostruktur
Eine einseitige Abhängigkeit ganzer Regionen von Automobilindustrie und
Zulieferern ist ein standortpolitischer Nachteil. Deshalb setzen wir auf die
Diversifizierung von Produkten und Dienstleistungen, um neue Arbeitsplätze zu
schaffen. Eine breite Streuung an Geschäftsfeldern in der Unternehmensstruktur
einer Region bietet eine höhere Resilienz gegenüber Risiken durch konjunkturelle
Schwankungen und technologische Umbrüche. Ein Beispiel: Die massive Ausweitung
des öffentlichen Nahverkehrs bietet dezentrale und große neue Jobperspektiven in
vielfältigen Berufen. Der ÖPNV und die Bahn zusammen bieten bereits heute
bundesweit annähernd so viele Arbeitsplätze wie die Automobilbranche. Zu den für
den Betrieb nötigen Arbeitsplätzen kommen Perspektiven für die
Nutzfahrzeugindustrie samt Zulieferern in den Bereichen Busse und
Schienenfahrzeuge aber auch innovative neue Segmente wie autonom fahrender ÖPNV,
digitale basierte onDemand-Lösungen, multimodale Verkehrsangebote, elektronische
Tarif- und Ticketsysteme sowie der Bauwirtschaft für die Errichtung der dafür
nötigen Infrastruktur.
Die Wandlungs- und Gestaltungsvisionen sollten weiter aufgestellt sein!
Der Begriff Wohlstand muss mit Grünen Werten ausgestattet sein, sonst geht es nur um´s Geld!
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