Initiativantrag: | Ist Corona weiblich? Was Frauen in der Krise leisten und warum wir mehr wollen als Applaus |
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Antragsteller*in: | Helga Stieglmeier (KV Erding), Eva Lettenbauer (KV Donau-Ries) |
Status: | Angenommen |
Eingereicht: | 10.07.2020, 09:50 |
Ä5 zu I1: Ist Corona weiblich? Was Frauen in der Krise leisten und warum wir mehr wollen als Applaus
Antragstext
Von Zeile 7 bis 9 einfügen:
müssen wir beginnen. Es hat sich gezeigt, dass in diesen Berufen mehrheitlich Frauen tätig sind: Das betrifft den Lebensmitteleinzelhandel, die Krankenhäuser, die Pflegeeinrichtungen, Kindergärten oder Vorschulen. In einem durchschnittlichen deutschen Krankenhaus
Die Corona-Krise lässt uns die Verhältnisse in unserem Land wie unter einem
Brennglas sehen und vieles spricht dafür, dass Corona „weiblich“ ist. Wir
sollten dieses Zeitfenster nutzen, damit ‚systemrelevant’ kein Lippenbekenntnis
bleibt.
Und genau mit diesen systemrelevanten Berufen, die wir auch in einer Phase
absoluten Stillstands wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Lebens benötigen,
müssen wir beginnen. Es hat sich gezeigt, dass in diesen Berufen mehrheitlich
Frauen tätig sind: Das betrifft den Lebensmitteleinzelhandel, die Krankenhäuser, die Pflegeeinrichtungen,
Kindergärten oder Vorschulen. In einem durchschnittlichen deutschen Krankenhaus
sind mehr als drei Viertel aller sozialversicherungspflichtig Beschäftigten
weiblich. In der Krise haben diese Frauen weiterhin Arbeit und Einkommen,
allerdings auch weniger Schutz vor Ansteckung als der Rest der Bevölkerung.
Nicht nur im Beruf, auch zuhause halten Frauen häufig den Haushalt zusammen. Oft
fallen Eltern durch die Krisensituation in traditionelle Rollenmuster zurück.
Frauen sind es dann, die sich um die Kinder kümmern, während die Schulen und
Kitas und Horte geschlossen sind. Besonders betroffen sind dabei Ein-Eltern-
Familien. Extreme Belastungen entstehen für diese zusätzlich durch befristete
Arbeitsverträge. Sie sind besonders oft in ohnehin prekären
Beschäftigungsverhältnissen und mit der Sorge der Unwägbarkeiten
krankheitsbedingter Ausfälle unter extremem Druck.
Aber es gibt auch den entgegengesetzten Trend: Manche Familien berichten, dass
die neue Klassifizierung eines traditionellen Frauenberufs (z.B. Kassiererin)
auch Veränderungen in der Partnerschaft und im Familienleben gebracht hat.
Partner*innen fanden sich in ungewohnter Rolle und mussten das Familienleben
zuhause einige Wochen „hauptamtlich“ gestalten.
Frauen nutzen Chancen, die in der Krisensituation stecken
Wichtig ist, dass wir jetzt Weichen dafür stellen, dass Frauen gestärkt und
nicht als Verliererinnen aus der COVID19-Krise hervorgehen. Das ist keineswegs
selbstverständlich, betrachtet man nur die Expert*innen oder eher gesagt
Experten der aktuellen Situation. Es dominieren Männer als Politiker und
Wissenschaftler bei der Einordnung und Bearbeitung der Covid-19-Pandemie. Dabei
gibt es genügend Wissenschaftlerinnen und Politikerinnen. Wo sind darüber hinaus
die Pflegerinnen, Krankenschwestern, pädagogischen Fachkräfte,
Jugendamtsmitarbeiterinnen, Friseurinnen und Supermarktkassiererinnen in den
Talkshows, die von ihren Herausforderungen und Erfahrungen berichten und ihre
Forderungen für ein besseres Arbeiten formulieren? Wir wollen, dass am Ende mehr
als ein Klatschen für Frauen herausspringt, wir fordern tatsächliche
Verbesserungen ein:
- Frauenstreik – Nach der Überwindung der akuten Corona-Notsituation rufen
wir zu einem landesweiten Streik nach dem Muster Spaniens auf.
(Frauenstreik 2018 unter dem Motto „Wenn die Frauen streiken, steht die
Welt still“.) Auch Frauen in Bayern gehen nach dieser Krise nicht kampflos
in die alte Situation zurück.
- Erhöhung des Mindestlohns auf 12 Euro – gerade Frauen arbeiten zu zwei
Dritteln im Bereich der prekären Beschäftigung und im Niedriglohnsektor
- Eine klare Neuordnung der Gehälter nach dem Modell des „Comparable Worth
Index“ u.a. entwickelt von Ute Klammer (Universität Duisburg).
Traditionelle Frauenberufe bzw. Berufe in denen überwiegend Frauen
arbeiten werden in unserem gesellschaftlichen System schlechter bezahlt
als ähnlich fordernde Berufe mit hohem Männeranteil. Jobs sollen demnach
gemäß Verantwortung und nicht nach Image bezahlt werden. Menschen und das
Knowhow in den Köpfen sind wichtiger als Produkte.Das sollte das Motto des
nächsten Equal Pay Days 2021 werden.
- Das Entgelttransparenzgesetz und die Begrenzung auf Unternehmen ab einer
gewissen Größe hat sich als nicht zielführend herausgestellt. Dieses muss
daher auch auf kleinere Unternehmen erweitert werden. Wir fordern in
diesem Zusammenhang daher auch die proaktive Veröffentlichung von
Durchschnittsgehältern eines Unternehmens.
- Die systemrelevanten Bereiche müssen stärker in die Tarifbindung genommen
werden. Wir werben bei Arbeitnehmer*innen für eine stärkere
gewerkschaftliche Organisation, denn nur so wird die Aufwertung von Jobs
gelingen. Mit einer Allgemeinverbindlichkeitserklärung (AVE) kann das
Bundesministerium für Arbeit und Soziales einen Tarifvertrag für alle
nicht tarifgebundenen Arbeitgeber*innen und Arbeitnehmer*innen einer
Branche für allgemeinverbindlich erklären. Wir unterstützen die Forderung
des DGB, dass die Allgemeinverbindlichkeitserklärung im Tarifausschuss nur
mit Mehrheit abgelehnt werden kann, statt dass wie bisher mehrheitlich
zugestimmt werden muss.
- In der Pflegebranche geht es sowohl um das Gehalt als auch die
Arbeitsbedingungen, ein einmaliger Corona-Bonus reicht nicht, sondern die
krisenbedingte Aufwertung muss langfristig beibehalten werden. Wir
brauchen daher einen Personalschlüssel und Dienstpläne, die der einzelnen
Pflegekraft auch feste freie Tage und Planbarkeit ermöglichen. Darüber
hinaus ist es auch hier an der Zeit, nicht nur einen einmaligen Corona-
Bonus auszuzahlen, sondern die Gehälter aufzuwerten.
- Auch die in privaten Haushalten beschäftigten Pflegekräfte sind
systemrelevant. Es kann nicht sein, dass Spargelstecher*innen für die
Landwirtschaft eingeflogen werden, aber Familien und insbesondere Frauen,
deren Pflegekräfte nicht einreisen dürfen, alleingelassen werden.
- In den Bereichen von Familien- und Jugend- sowie Eingliederungshilfe,
Assistenzleistungen und existenzsichernden Diensten werden in erheblichem
Maß individuelles Leid und enorme Folgekosten für die Gesellschaft
abgewendet: Die Refinanzierung dieser Hilfen muss krisensicher gestaltet
werden: Eine Kürzung dieser Leistungen lehnen wir ab.
- Die Chancen des Home-Office sollten wir für die Zukunft nutzen: Viele
Arbeitgeber*innen haben nun die Erfahrung gemacht, dass es geht und sie
ihren Mitarbeiter*innen vertrauen können. Wir unterstützen daher ein Recht
auf Home-Office. Zu einer Entgrenzung der Arbeitszeit darf dies aber nicht
führen. Home-Office kann auch Kinderbetreuung nicht ersetzen oder parallel
neben Familienaufgaben erledigt werden. Hierbei muss auch die Ausstattung
der Arbeitsplätze so gestaltet sein, dass auch und gerade in Krisenzeiten
die Arbeitserbringung sichergestellt ist.
- Wir wollen eine gesellschaftliche Debatte darüber, welche Maßnahmen
geeignet sind, um das Verständnis für soziale und systemrelevante Berufe
zu erhöhen. Es muss z.B. evaluiert werden, wie sich die Gesellschaft nach
dem Ende des Zivildienstes und mit dem Bundesfreiwilligendienst entwickelt
hat. Wie viele Menschen nehmen den Bundesfreiwilligendienst wahr? Je nach
Ergebnis kann ein Solidardienst (z.B. sechs Monate) für junge Menschen
diskutiert werden. Dabei ist für uns klar, dass der
Bundesfreiwilligendienst nicht als Ersatz für qualifizierte
Arbeitnehmer*innen im Care-Bereich gesehen werden darf.
- Auch für Politiker*innen wird eine jährliche Praxiswoche in der Pflege,
dem Krankenhaus, dem Handwerk oder der Landwirtschaft oder anderen
systemrelevanten Bereichen empfohlen. Der Bayerische Landesverband der
Grünen ruft seine Mandatsträger*innen aus Bund und Land zur konzertierten
Praxiswoche auf.
Unterstützer*innen
- Angelica Schieder (KV Landshut-Stadt)
Von Zeile 7 bis 9 einfügen:
müssen wir beginnen. Es hat sich gezeigt, dass in diesen Berufen mehrheitlich Frauen tätig sind: Das betrifft den Lebensmitteleinzelhandel, die Krankenhäuser, die Pflegeeinrichtungen, Kindergärten oder Vorschulen. In einem durchschnittlichen deutschen Krankenhaus
Die Corona-Krise lässt uns die Verhältnisse in unserem Land wie unter einem
Brennglas sehen und vieles spricht dafür, dass Corona „weiblich“ ist. Wir
sollten dieses Zeitfenster nutzen, damit ‚systemrelevant’ kein Lippenbekenntnis
bleibt.
Und genau mit diesen systemrelevanten Berufen, die wir auch in einer Phase
absoluten Stillstands wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Lebens benötigen,
müssen wir beginnen. Es hat sich gezeigt, dass in diesen Berufen mehrheitlich
Frauen tätig sind: Das betrifft den Lebensmitteleinzelhandel, die Krankenhäuser, die Pflegeeinrichtungen,
Kindergärten oder Vorschulen. In einem durchschnittlichen deutschen Krankenhaus
sind mehr als drei Viertel aller sozialversicherungspflichtig Beschäftigten
weiblich. In der Krise haben diese Frauen weiterhin Arbeit und Einkommen,
allerdings auch weniger Schutz vor Ansteckung als der Rest der Bevölkerung.
Nicht nur im Beruf, auch zuhause halten Frauen häufig den Haushalt zusammen. Oft
fallen Eltern durch die Krisensituation in traditionelle Rollenmuster zurück.
Frauen sind es dann, die sich um die Kinder kümmern, während die Schulen und
Kitas und Horte geschlossen sind. Besonders betroffen sind dabei Ein-Eltern-
Familien. Extreme Belastungen entstehen für diese zusätzlich durch befristete
Arbeitsverträge. Sie sind besonders oft in ohnehin prekären
Beschäftigungsverhältnissen und mit der Sorge der Unwägbarkeiten
krankheitsbedingter Ausfälle unter extremem Druck.
Aber es gibt auch den entgegengesetzten Trend: Manche Familien berichten, dass
die neue Klassifizierung eines traditionellen Frauenberufs (z.B. Kassiererin)
auch Veränderungen in der Partnerschaft und im Familienleben gebracht hat.
Partner*innen fanden sich in ungewohnter Rolle und mussten das Familienleben
zuhause einige Wochen „hauptamtlich“ gestalten.
Frauen nutzen Chancen, die in der Krisensituation stecken
Wichtig ist, dass wir jetzt Weichen dafür stellen, dass Frauen gestärkt und
nicht als Verliererinnen aus der COVID19-Krise hervorgehen. Das ist keineswegs
selbstverständlich, betrachtet man nur die Expert*innen oder eher gesagt
Experten der aktuellen Situation. Es dominieren Männer als Politiker und
Wissenschaftler bei der Einordnung und Bearbeitung der Covid-19-Pandemie. Dabei
gibt es genügend Wissenschaftlerinnen und Politikerinnen. Wo sind darüber hinaus
die Pflegerinnen, Krankenschwestern, pädagogischen Fachkräfte,
Jugendamtsmitarbeiterinnen, Friseurinnen und Supermarktkassiererinnen in den
Talkshows, die von ihren Herausforderungen und Erfahrungen berichten und ihre
Forderungen für ein besseres Arbeiten formulieren? Wir wollen, dass am Ende mehr
als ein Klatschen für Frauen herausspringt, wir fordern tatsächliche
Verbesserungen ein:
- Frauenstreik – Nach der Überwindung der akuten Corona-Notsituation rufen
wir zu einem landesweiten Streik nach dem Muster Spaniens auf.
(Frauenstreik 2018 unter dem Motto „Wenn die Frauen streiken, steht die
Welt still“.) Auch Frauen in Bayern gehen nach dieser Krise nicht kampflos
in die alte Situation zurück.
- Erhöhung des Mindestlohns auf 12 Euro – gerade Frauen arbeiten zu zwei
Dritteln im Bereich der prekären Beschäftigung und im Niedriglohnsektor
- Eine klare Neuordnung der Gehälter nach dem Modell des „Comparable Worth
Index“ u.a. entwickelt von Ute Klammer (Universität Duisburg).
Traditionelle Frauenberufe bzw. Berufe in denen überwiegend Frauen
arbeiten werden in unserem gesellschaftlichen System schlechter bezahlt
als ähnlich fordernde Berufe mit hohem Männeranteil. Jobs sollen demnach
gemäß Verantwortung und nicht nach Image bezahlt werden. Menschen und das
Knowhow in den Köpfen sind wichtiger als Produkte.Das sollte das Motto des
nächsten Equal Pay Days 2021 werden.
- Das Entgelttransparenzgesetz und die Begrenzung auf Unternehmen ab einer
gewissen Größe hat sich als nicht zielführend herausgestellt. Dieses muss
daher auch auf kleinere Unternehmen erweitert werden. Wir fordern in
diesem Zusammenhang daher auch die proaktive Veröffentlichung von
Durchschnittsgehältern eines Unternehmens.
- Die systemrelevanten Bereiche müssen stärker in die Tarifbindung genommen
werden. Wir werben bei Arbeitnehmer*innen für eine stärkere
gewerkschaftliche Organisation, denn nur so wird die Aufwertung von Jobs
gelingen. Mit einer Allgemeinverbindlichkeitserklärung (AVE) kann das
Bundesministerium für Arbeit und Soziales einen Tarifvertrag für alle
nicht tarifgebundenen Arbeitgeber*innen und Arbeitnehmer*innen einer
Branche für allgemeinverbindlich erklären. Wir unterstützen die Forderung
des DGB, dass die Allgemeinverbindlichkeitserklärung im Tarifausschuss nur
mit Mehrheit abgelehnt werden kann, statt dass wie bisher mehrheitlich
zugestimmt werden muss.
- In der Pflegebranche geht es sowohl um das Gehalt als auch die
Arbeitsbedingungen, ein einmaliger Corona-Bonus reicht nicht, sondern die
krisenbedingte Aufwertung muss langfristig beibehalten werden. Wir
brauchen daher einen Personalschlüssel und Dienstpläne, die der einzelnen
Pflegekraft auch feste freie Tage und Planbarkeit ermöglichen. Darüber
hinaus ist es auch hier an der Zeit, nicht nur einen einmaligen Corona-
Bonus auszuzahlen, sondern die Gehälter aufzuwerten.
- Auch die in privaten Haushalten beschäftigten Pflegekräfte sind
systemrelevant. Es kann nicht sein, dass Spargelstecher*innen für die
Landwirtschaft eingeflogen werden, aber Familien und insbesondere Frauen,
deren Pflegekräfte nicht einreisen dürfen, alleingelassen werden.
- In den Bereichen von Familien- und Jugend- sowie Eingliederungshilfe,
Assistenzleistungen und existenzsichernden Diensten werden in erheblichem
Maß individuelles Leid und enorme Folgekosten für die Gesellschaft
abgewendet: Die Refinanzierung dieser Hilfen muss krisensicher gestaltet
werden: Eine Kürzung dieser Leistungen lehnen wir ab.
- Die Chancen des Home-Office sollten wir für die Zukunft nutzen: Viele
Arbeitgeber*innen haben nun die Erfahrung gemacht, dass es geht und sie
ihren Mitarbeiter*innen vertrauen können. Wir unterstützen daher ein Recht
auf Home-Office. Zu einer Entgrenzung der Arbeitszeit darf dies aber nicht
führen. Home-Office kann auch Kinderbetreuung nicht ersetzen oder parallel
neben Familienaufgaben erledigt werden. Hierbei muss auch die Ausstattung
der Arbeitsplätze so gestaltet sein, dass auch und gerade in Krisenzeiten
die Arbeitserbringung sichergestellt ist.
- Wir wollen eine gesellschaftliche Debatte darüber, welche Maßnahmen
geeignet sind, um das Verständnis für soziale und systemrelevante Berufe
zu erhöhen. Es muss z.B. evaluiert werden, wie sich die Gesellschaft nach
dem Ende des Zivildienstes und mit dem Bundesfreiwilligendienst entwickelt
hat. Wie viele Menschen nehmen den Bundesfreiwilligendienst wahr? Je nach
Ergebnis kann ein Solidardienst (z.B. sechs Monate) für junge Menschen
diskutiert werden. Dabei ist für uns klar, dass der
Bundesfreiwilligendienst nicht als Ersatz für qualifizierte
Arbeitnehmer*innen im Care-Bereich gesehen werden darf.
- Auch für Politiker*innen wird eine jährliche Praxiswoche in der Pflege,
dem Krankenhaus, dem Handwerk oder der Landwirtschaft oder anderen
systemrelevanten Bereichen empfohlen. Der Bayerische Landesverband der
Grünen ruft seine Mandatsträger*innen aus Bund und Land zur konzertierten
Praxiswoche auf.
Unterstützer*innen
- Angelica Schieder (KV Landshut-Stadt)
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