Veranstaltung: | Digitaler Parteitag |
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Antragsteller*in: | Stefan Christoph (KV Regensburg-Stadt), Stefan Schmidt (KV Regensburg-Stadt) |
Status: | Modifiziert |
Eingereicht: | 11.11.2020, 10:43 |
Antragshistorie: |
A10NEU: Kommunen stärken, Investitionen sichern und Klima schützen
Antragstext
Unseren Städten, Gemeinden und Landkreisen kommt aktuell in dreifacher Hinsicht
eine Schlüsselrolle zu. Sie sichern die kommunale Daseinsvorsorge ihrer
Bürger*innen vor Ort, bewältigen die gesundheitlichen Herausforderungen der
Corona-Pandemie und sorgen mit ihren Investitionen in Nachhaltigkeit und
Klimaschutz dafür, dass wir zwei Krisen zusammen denken und lösen können: die
Corona-bedingte Konjunkturkrise und die fortschreitende Klimakrise.
Mit Schulgebäuden, Kitas und der Abfallentsorgung stellen unsere Kommunen die
elementare Infrastruktur. Mit Bussen und Bahnen sorgen sie für die Mobilität
ihrer Bürger*innen. Mit ihren vielfältigen freiwilligen Aufgaben vor allem im
Bereich von Sport und Kultur tragen sie entscheidend zur Lebensqualität vor Ort
bei. In der Corona-Krise haben Städte, Gemeinden und Landkreise mit ihren
Krankenhäusern und Gesundheitsämtern einen wesentlichen Beitrag dazu geleistet,
die Pandemie in den Griff zu bekommen. Auch in der Phase der schrittweisen
Lockerungen und eines abklingenden Infektionsgeschehens ist die lokale Ebene von
entscheidender Bedeutung.. Denn durch ihre Investitionen in Klimaschutz und
Nachhaltigkeit können die Kommunen als größter öffentlicher
Investitionsträgereinen wichtigen Beitrag zur schnellen konjunkturellen Belebung
leisten. Mit ihren vielfältigen politischen Gestaltungsmöglichkeiten von der
Organisation des öffentlichen Nahverkehrs bis zur Stadtentwicklung sitzt die
kommunale Hand an wichtigen Hebeln zur Bewältigung der Klimakrise. Ihre Nähe zu
den Bürger*innen und ihre guten Kenntnisse der lokalen Begebenheiten sind dabei
von großem Vorteil.
Obwohl die lokale Ebene eine wesentliche Rolle spielt, haben Bundesregierung und
bayerische Staatsregierung die Städte, Gemeinden und Landkreise viel zu lange im
Unklaren darüber gelassen, ob und in welcher Form es überhaupt Hilfen geben
soll. Die Kommunen brauchen aber Planungssicherheit. Denn um ihre drei
Kernaufgaben – Daseinsvorsorge, Gesundheitsschutz und Klimaschutz – kraftvoll
schultern zu können, ist die kommunale Ebene krisenbedingt auf die Unterstützung
von Bund und Land angewiesen. Deswegen müssen die Hilfen nun schnell beschlossen
werden. Wir müssen die Kommunen gemeinsam in der Krise und nach der Krise
finanziell auf sichere Beine stellen.
Corona-bedingte Einnahmeausfälle und Mindereinnahmen kompensieren
Die Corona-Pandemie und der daraus folgende Lockdown haben unsere Städte,
Gemeinden und Landkreise besonders hart getroffen und vor enorme
Herausforderungen gestellt. Die Folgen des Lockdowns machen sich nicht nur in
den wenigen verschuldeten und finanzschwachen bayerischen Kommunen bemerkbar,
die bereits vor der Krise unter Haushaltssicherung standen oder unter einem
hohen Investitionsstau litten. Auch in den Haushalten der finanzstarken
bayerischen Kommunen sind die Folgen des Lockdown deutlich spürbar. Vielfach
bleiben die Fixkosten bestehen, während die Einnahmen sinken und die Ausgaben
steigen. So muss die lokale Ebene auch weiterhin für den Betrieb von Kitas,
Museen, Theatern, Bibliotheken oder des ÖPNV aufkommen. Gleichzeitig ist sie
aber mit wegfallenden oder zumindest sinkenden Steuereinnahmen, Gebühren und
Eintrittsgeldern konfrontiert – auch in Zeiten der schrittweisen Lockerungen.
Kitas, Kultur- und Sporteinrichtungen, aber auch Hotels und Gaststätten waren
wochenlang geschlossen. Gleichzeitig müssen die Kommunen auch in der Krise ihre
Leistungen – häufig mit reduziertem Personal – aufrechterhalten: von der
Jugendhilfe über die Sozialämter bis hin zu den Standesämtern. Sie müssen
Rechnungen begleichen und Bauanträge bearbeiten. Auch der ÖPNV hat ein
reduziertes Angebot beibehalten, aber Ticketkontrollen ausgesetzt.
Vor allem die steuerlichen Einnahmeausfälle treffen Städte, Gemeinden und
Landkreise hart: Viele Betriebe mussten ihre Produktion zeitweise einstellen
oder reduzieren. Auch in absehbarer Zeit wird die Produktion nicht wieder das
Vorkrisenniveau erreichen. Darüber hinaus führen steuerliche Erleichterungen für
Unternehmen zu Einbußen bei den Kommunen. In der Folge bricht die Gewerbesteuer
als wichtigste Einnahmequelle der kommunalen Hand gerade dramatisch ein und wird
sich aller Voraussicht nach auch in den Folgejahren nur langsam erholen. Die
jüngste Steuerschätzung von Mai geht deutschlandweit allein in diesem Jahr von
einem Rückgang bei der Gewerbesteuer gegenüber 2019 um mehr als 13,7 Mrd. Euro
aus. Nach dieser Prognose wird die Gewerbesteuer erst 2024 wieder das Niveau von
2019 erreichen. Gerade auch in Bayern ist die Gewerbesteuer drastisch
eingebrochen. Hart getroffen hat das vor allem die stark touristischen
bayerischen Regionen. Auch die Einnahmen aus den kommunalen Einkommen- und
Umsatzsteueranteilen werden zurückgehen. Für uns Grüne ist klar, dass Bund und
Land gemeinsam die Gewerbesteuerausfälle für dieses Jahr komplett übernehmen
müssen. Auf Basis der außerplanmäßigen Steuerschätzung im September ist außerdem
zu prüfen, ob Bund und Länder die Kommunen auch in den Folgejahren für die
Corona-bedingten Gewerbesteuer-Mindereinnahmen kompensieren sollten.
Die Finanzierung der Bayerischen Bezirke, die gerade jetzt in Pandemiezeiten mit
ihren Aufgaben für psychische Gesundheit und Inklusion im Fokus stehen, haben
seit jeher eine prekäre Finanzierung. Eine der Hauptfinanzierungsquellen der
dritten kommunalen Ebene ist die Bezirksumlage, die sie von den Landkreisen und
kreisfreien Städten erheben. Steuerliche Mindereinnahmen bei Städten, Gemeinden
und Landkreisen werden in absehbarer Zeit damit auch die Bezirke treffen, die
damit nur die Möglichkeit hätten, die Hebesätze der Bezirksumlage zu erhöhen. Um
die Finanzierung der Aufgaben der Bezirke in Gesundheits- und Sozialwesen, aber
auch in der Pflege und der Kulturarbeit sicherzustellen, brauchen die Bezirke
stattdessen eine dauerhafte, planbare Finanzierung, die nicht auf Kosten der
umlagezahlenden Kommunen geht. Zudem fordern wir eine konsequente Anwendung des
Konnexitätsprinzips: wenn Bundes- und Landesgesetze durch die Kommunen umgesetzt
werden sollen, müssen der Bund oder der Freistaat diese Aufgaben auch
finanzieren und können hier nicht die Kommunen im Regen stehen lassen und die
Pflichtaufgaben erhöhen ohne die Kommunen dafür zu kompensieren.
Neben diesen Einnahmerückgängen steigen gleichzeitig die kommunalen Ausgaben für
krisenbedingte Sofortmaßnahmen. Die Landkreise mussten ihre Gesundheitsämter
personell aufstocken und zusätzlich ausstatten, die kommunalen Krankenhäuser
mussten sich auf die neue Situation einstellen. Auch die Kosten der Unterkunft
und Heizung nach SGB II (KdU) nehmen in der Krise deutlich zu und werden aller
Voraussicht nach auch in den nächsten Monaten weiter steigen, weil der Zugang
zur Grundsicherung für Selbstständige erleichtert wurde. Dass der Bund die
Kommunen jetzt im Zuge des Konjunkturpakets bei den sozialen Kosten dauerhaft
stärker entlasten will, unterstützen wir Grüne ausdrücklich. Der Bund greift
damit eine langjährige Forderung von uns Grünen auf. Es ist richtig, dass der
Bund seine Beteiligung an den Kosten der Unterkunft dauerhaft auf 75 Prozent
erhöhen und dadurch finanzschwache Kommunen aber auch Landkreise und kreisfreie
Städte mit einem hohen Mietenniveau entlasten will. Wir Grüne im Bund und in
Bayern unterstützen daher die dafür notwendige Grundgesetzänderung für die
Anhebung der Grenze zur Bundesauftragsverwaltung auf 75 Prozent.
Auch kommunale Unternehmen in besonders vom Lockdown betroffenen
Wirtschaftsbereichen wie Messen, Veranstaltungszentren und Kultureinrichtungen,
aber auch Verkehrsbetriebe, Bäder und Museen sind durch Einnahmeausfälle bei
fortlaufenden Kosten zum Teil in ihrer Existenz bedroht. Dabei stellen sie den
Bürger*innen elementare Leistungen der Daseinsvorsorge zur Verfügung. Deswegen
müssen sie uneingeschränkten Zugang zu den bereits beschlossenen Hilfs- und
Kreditprogrammen bekommen. Eine Benachteiligung gegenüber privaten Unternehmen
ist nicht nachvollziehbar. Kommunale Unternehmen sind gerade auch in der Krise
unverzichtbar für das Leben vor Ort.
Kommunen als größten Investitionsträger stärken und kommunalen Klimaschutz
unterstützen
Die Kommunen spielen aber nicht nur für die Lebensqualität vor Ort und das
Krisenmanagement eine entscheidende Rolle. Auch bei dem Weg aus dem Lockdown und
der daraus folgenden wirtschaftlichen Krise kommt ihnen eine Schlüsselrolle zu.
Als größter öffentlicher Investitionsträger können die Städte, Gemeinden und
Landkreise entscheidend zum wirtschaftlichen Aufschwung beitragen, etwa indem
sie die Baubrache und das lokale Handwerk mit Aufträgen versorgen. Viele
Kommunen haben bereits Pläne für wichtige Zukunftsinvestitionen erarbeitet,
beispielsweise für die Sanierung von Schulen und Kitas, aber auch für Projekte
des kommunalen Klimaschutzes und der nachhaltigen Entwicklung vor Ort, die
schnell umgesetzt werden könnten. Mit schnellen und zielgerichteten Hilfen für
die bayerischen Städte, Gemeinden und Kreise durch Bund und Land muss die
finanzielle Handlungsfähigkeit unserer Kommunen erhalten und die Grundversorgung
der Menschen vor Ort gesichert werden. Wir müssen sicherstellen, dass die
Kommunen auch nach der Krise ausreichend finanzielle Mittel haben, um als
größter öffentlicher Investor tätig zu werden.
Um die öffentliche Investitionstätigkeit anzukurbeln, müssen einerseits die
kommunalen Förderprogramme hinsichtlich der Programmlaufzeiten, der
Beantragungsfristen und der Kofinanzierungspflichten unbürokratisch angepasst
werden. Denn in der andauernden Krisensituation wird die lokale Ebene auch
weiterhin Probleme haben, entsprechende Fristen einzuhalten und ihren
Eigenanteil aufzubringen. Gerade jetzt brauchen wir gezielte kommunale
Investitionsprogramme für Klimaschutz, Klimaanpassung, nachhaltige Entwicklung
und eine nachhaltige Infrastruktur. Die Kommunen sitzen hier durch ihre
Zuständigkeiten in vielen klimarelevanten Bereichen an einem wichtigen Hebel.
Gleichzeitig fehlt ihnen aber oftmals das Personal um die zur Verfügung
stehenden Mittel entsprechend ihrer Bedarfe abzurufen. Deshalb braucht es jetzt
mehr denn je eine deutlich stärkere Unterstützung unsere bayerischen Städte,
Gemeinden und Landkreise bei der Umsetzung von Maßnahmen für Klimaschutz,
Klimaanpassung und nachhaltige Entwicklung.
Wir müssen jetzt Maßnahmen umsetzen, damit die Kommunen in der Krise
unterstützt, die Konjunktur angekurbelt und der richtige Pfad hin zu wirksamem
Klimaschutz und nachhaltiger Entwicklung eingeschlagen wird.
Damit Kommunen unterstützt, ihre Handlungsfähigkeit gesichert und nachhaltige
Investitionen in den Kommunen angeschoben werden können, fordern wir
insbesondere:
- Die vollständige Kompensation der Corona-bedingten Gewerbesteuerausfälle
für 2020 – hälftig finanziert durch Bund und Land. Auf Basis der
September-Steuerschätzung ist darüber hinaus zu überprüfen, in welchem
Umfang auch in den Folgejahren eine Gewerbesteuer-Kompensation durch Bund
und Länder erfolgen muss;
- die dauerhafte Erhöhung der Bundesbeteiligung an den Kosten der Unterkunft
auf 75 Prozent;
- Öffnung der bereits beschlossenen Hilfsprogramme des Bundes für kommunale
Unternehmen;
- Verlängerung der Laufzeiten und Fristen aller kommunalen Förderprogramme;
- Verzicht auf die Kofinanzierungspflicht bei Förderprogrammen für einen
klar begrenzten Zeitraum;
- Erhöhung der Städtebauförderung;
- Einführung attraktiver Zuschüsse für kommunale Dekarbonisierungs-Pläne,
insbesondere kommunaler Wärmepläne;
- Passgenaue Finanzierung von kommunalen Planungs- und Umsetzungsaufträgen
in den Nachhaltigkeits-, Resilienz- und Klimaschutzbereichen;
- Förderung von vielfältigen regionalen Aus- und Weiterbildungsoptionen
sowie Umschulungsprogrammen in Berufen, die zur praktische Umsetzung und
Planung von Maßnahmen für Klimaschutz, Klimaanpassung und nachhaltige
Entwicklung beitragen.
Unterstützer*innen
- Tina Winklmann (KV Schwandorf)
- Ekin Deligöz (KV Neu-Ulm)
- Johannes Becher (KV Freising)
- Timm Schulze (KV Bamberg-Stadt)
- Judith Bogner (KV Mühldorf)
- Leon Eckert (KV Freising)
- Jamila Schäfer (KV München)
- Oliver Haas (KV München)
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