Veranstaltung: | Kleiner Parteitag 2021 |
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Antragsteller*in: | Landesvorstand und Landesausschuss (dort beschlossen am: 24.06.2021) |
Status: | Eingereicht |
Eingereicht: | 25.06.2021, 12:25 |
ZG1: In Zukunft gerecht – Für ein starkes Miteinander in Bayern
Antragstext
Die Corona-Krise macht die Bruchstellen in unserer Gesellschaft sichtbar. Wir
brauchen ein gerechteres Miteinander und soziale Sicherheit für alle. Wir
bayerische GRÜNE stärken den Menschen in Bayern den Rücken. Deshalb investieren
wir in den sozialen Zusammenhalt – in der Corona-Krise und darüber hinaus.
Gerechtigkeit neu denken
Wir GRÜNE wollen Bayerns Natur erhalten, denn sie ist unser aller
Lebensgrundlage. Und wir wollen ein Bayern, in dem für alle gut gesorgt ist und
niemand zurückgelassen wird. Wirksamer Klimaschutz und soziale Gerechtigkeit
gehören für uns untrennbar zusammen. Nur wenn CO2 einen realistischen Preis
bekommt und Geringverdienende entlastet werden, können wir die soziale
Schieflage beenden. Denn ein stabiles Klima ist die Voraussetzung für
gleichwertige Lebensverhältnisse für alle Menschen. Gleichzeitig bedeutet
Gerechtigkeit für uns die finanzielle Absicherung der Menschen. Wir stehen für
sozial gerechten Klimaschutz und wollen die Einnahmen aus dem CO2-Preis an die
Bürger*innen zurückgeben: Als ein Energiegeld, das alle erhalten. Wir wollen den
Strompreis senken und reduzieren die EEG-Umlage. Geringverdienende und Familien
werden damit besonders entlastet. Das Energiegeld soll nicht auf die
Grundsicherung angerechnet werden: So entlasten wir auch jene, die
Arbeitslosengeld II oder Sozialhilfe erhalten.
Gerechtigkeit heißt, dass alle Menschen ein Leben lang in sozialer Sicherheit
leben können. Wir brauchen ein Netz, das trägt:
Wir führen die Kindergrundsicherung ein, die Familien das Leben leichter macht
und allen Kindern das garantiert, was sie zum Leben brauchen – ohne komplizierte
Antragsverfahren. Mehrbedarfe und Einmalbedarfe, wie Kosten einer Klassenfahrt,
sollen direkt ausgezahlt werden können. Hartz IV entwickeln wir zu einer
Garantiesicherung ohne Sanktionen weiter. Wir brauchen ein Sicherungssystem, das
armutsfest ist und Teilhabe sichert. So stärken wir Menschen in Zeiten des
Wandels und schaffen Perspektiven für ein selbstbestimmtes Leben. Dazu ist der
Regelsatz endlich sachgerecht zu ermitteln, denn zu einem würdevollen Leben sind
auch Malstifte für Kinder wichtig. Die Vermögensprüfung ersetzen wir durch eine
rechtsverbindliche Selbstauskunft und verbessern Hinzuverdienstmöglichkeiten.
Staatliche Leistungen sollen für jede Person individuell und ohne Stigma
vergeben werden. Unser Ziel ist daher das Konzept der Bedarfsgemeinschaft zu
überwinden. In einem ersten Schritt darf bei nicht-verheirateten Paaren das
Einkommen der Partnerin oder des Partners keine Rolle für die Höhe der eigenen
Geldleistungen spielen. Es braucht eine nachhaltige Strukturreform bei der
Altersvorsorge, die Altersarmut konsequent verhindert. Dafür bauen wir die
Rentenversicherung zur Bürgerversicherung um und erkennen mit der grünen
Garantierente Lebensleistungen besser an. Auch die jüngeren Generationen
brauchen eine Altersversorgung, auf die Verlass ist. Wir setzen uns auch für
einen neuen und gerechten Generationenvertrag ein. Gleichberechtigte
Lebensentwürfe dürfen nicht länger benachteiligt werden. Das muss sich auch im
Steuerrecht ausdrücken. Dafür soll das Faktorverfahren, das die Vorteile des
Ehegattensplittings auf beide Arbeitslöhne verteilt, zur Regel und die
Steuerklasse V für Zuverdiener*innen abgeschafft werden. Paare, die bereits
verheiratet sind, sollen sich entscheiden können, ob sie sich einzeln veranlagen
oder das Ehegattensplitting weiterhin nutzen wollen. Für neue Ehen wollen wir
eine Individualbesteuerung, um mit einem eigenständigen, ausreichenden
Rentenanspruch die – überwiegend weibliche - Altersarmut merklich zu reduzieren.
Gute Bildung
Bildungs-, Weiterbildungs- und Kulturangebote sind gleichermaßen Teilhabe,
soziale Absicherung, Integration von Benachteiligten und Sicherung unserer
Demokratie. Die dafür nötige Infrastruktur zu stärken und auszubauen ist für uns
eine Überlebensaufgabe.
Wir GRÜNE wollen eine Schule, die den Kindern Mut macht statt Druck. Wir wollen
jedem einzelnen Kind gerecht werden und es nach seinen individuellen Talenten
fördern. Jugendliche sollen sich zu starken Persönlichkeiten mit guter
Urteilsfähigkeit entwickeln, damit sie offline wie online Verantwortung für
sich, für die Gesellschaft und unsere Umwelt übernehmen können. Daher: Wir
investieren in unsere Schulen – für mehr Lehrkräfte, für kleinere Klassen, für
Schulsozialarbeit an allen Schulen, mehr Schulpsycholog*innen, endlich eine
zeitgemäße digitale Ausstattung, echte Kooperation zwischen Schule und
Jugendhilfe und für moderne Schulgebäude. Nur damit können wir zeitgemäße
Lernkonzepte umsetzen. In den Lehrplänen stärken wir politische Bildung und
Medienkompetenz. Schulbücher müssen endlich die gesellschaftliche Vielfalt
widerspiegeln. Schüler*innen sollen ihren Unterricht und ihre Schule stärker
mitbestimmen und -gestalten können. Der Rechtsanspruch auf Ganztag in der
Grundschule muss mit einem hochwertigen Angebot zügig umgesetzt werden. Unser
Ziel ist der flächendeckende Ausbau echter, gebundener Ganztagsschulen, bei
denen sich Lern- und Erholungsphasen über den Tag verteilen. Kleine Schulen auf
dem Land wollen wir erhalten. Deshalb sollen Kommunen die Möglichkeit bekommen,
vor Ort in Absprache mit der Schulfamilie Gemeinschaftsschulen einzurichten, an
denen die Kinder länger gemeinsam lernen. Die Lehrkräfteausbildung wollen wir
durch mehr Flexibilität und frühere Praxiserfahrungen verbessern, um die Zahl
der Studienabbrecher*innen zu verringern.
Wir GRÜNE sehen die berufliche duale Ausbildung als wichtigen Erfolgsfaktor im
deutschen Bildungswesen an. Wir wollen die berufliche Orientierung und Beratung
bei der Wahl eines Ausbildungsberufes in allen Schularten ausbauen. Dabei wollen
wir ganz selbstverständlich auch Mädchen über technische Berufe und Jungen über
soziale Berufe informieren. Die Ungleichheiten zwischen vermeintlichen Frauen-
und Männerberufen wollen wir abschaffen. Damit mehr Jugendliche ihre Ausbildung
erfolgreich abschließen, wollen wir für sie und ihre Betriebe bessere
Unterstützungsangebote schaffen und Berufseinstiegsbegleitung sowie
Mentoringprogramme stärken. Wir setzen uns ein für eine Stärkung und bessere
gesellschaftliche Anerkennung der dualen Ausbildung.
Der Weiterbildungsbedarf in unserer Gesellschaft wird immer größer. „Ausgelernt“
gibt es nicht mehr. Auch für die Erwachsenen gilt: Alle haben ein Recht auf
Bildung. Wir treten daher für einen individuellen Rechtsanspruch auf
Weiterbildung ein. Die Erwachsenenbildung muss massiv gestärkt und insbesondere
die soziale Teilhabe beachtet werden. Deshalb wollen wir auf Landesebene die
Bildungschancen von Erwachsenen durch ein Bildungsfreistellungsgesetz
verbessern. Wir fordern ein Recht auf Bildungsurlaub und eine wesentlich bessere
Förderung der Angebote der Erwachsenenbildung. Hürden bei Bildungsübergängen,
wie zwischen Kita, Schule, Hochschule oder Beruf, bauen wir ab. Für
arbeitsmarktbedingte Weiterbildungen schaffen wir ein auskömmliches
Weiterbildungsgeld sowie ein Weiterbildungs-BAföG für diejenigen, die sich
beruflich weiterentwickeln oder umorientieren wollen. Viele Menschen möchten
aber auch ihre aktuelle Arbeitsstelle behalten und sich gleichzeitig
weiterqualifizieren. Damit sie das können, führen wir einen
Freistellungsanspruch ein sowie ein Rückkehrrecht auf den vorherigen
Stundenumfang. Gebündelte Beratung und Unterstützung sollen Menschen mit
Weiterbildungswunsch künftig in regionalen Bildungsagenturen erhalten, sowie
über eine zentrale, öffentlich-finanzierte Online-Plattform.
Familien- und Berufsleben im Einklang
Um Familie und Beruf unter einen Hut zu bekommen, braucht es bessere staatliche
Rahmenbedingungen. Insbesondere junge Familien und Alleinerziehende müssen
derzeit mit mehr Bällen jonglieren, als sie Hände dafür haben. Wir müssen
aktuelle Unterstützungsmaßnahmen ausweiten und flexibler machen, damit Mütter
und Väter mehr Zeit mit ihren Kindern verbringen können. Frauen übernehmen immer
noch den Großteil der Kindererziehung und verzichten dabei zu ihrem Nachteil auf
eigenes Einkommen und Rentenansprüche. Daher wollen wir flexiblere Arbeitszeiten
und neue, modernere Arbeitszeitmodelle. Nur so werden wir die Vereinbarkeit von
Beruf und Familie verbessern. Neben einer neuen Arbeitszeitkultur und mehr
Zeitsouveränität wollen wir mit der grünen KinderZeit Plus Eltern gezielt und
flexibel unterstützen. Das bestehende Elterngeld, das Eltern im ersten
Lebensjahr ihres Kindes unterstützt, wollen wir weiterentwickeln. Jedes
Elternteil soll in Zukunft acht Monate Unterstützung erhalten – weitere acht
Monate sollen die Eltern frei untereinander aufteilen können. Alleinerziehenden
stehen die 24 Monate selbstverständlich auch zur Verfügung. Die Vereinbarkeit
von Pflege und Beruf verbessern wir mit einer neuen Lohnersatzleistung:
PflegeZeit Plus. Sie ermöglicht eine bis zu dreimonatige Freistellung vom Job
für Menschen, die Verantwortung für pflegebedürftige Menschen in der Familie
oder im nahen sozialen Umfeld übernehmen. Darüber hinaus federt sie
Arbeitszeitreduzierungen für die Dauer bis zu drei Jahren ab.
Ein zentrales Anliegen ist uns der Ausbau der Kitas und Kindergärten in Bayern
und der Fokus auf die Qualität. Mit einem Förderprogramm wollen wir ein
flächendeckendes Angebot mit bedarfsgerechten Öffnungszeiten schaffen. Auch wer
im Schichtdienst arbeitet, soll sein Kind gut betreut wissen. Kinder mit
besonderem Förderbedarf sollen selbstverständlich die Möglichkeit haben, in der
Krippe oder Kita ihrer Wahl aufgenommen zu werden – nicht das Kind muss zur Kita
passen, sondern die Kita zum Kind. Die Arbeitsbedingungen und Bezahlung der
Erzieher*innen wollen wir verbessern. Und wir starten eine Ausbildungsoffensive,
damit sich künftige Erzieher*innen noch besser auf ihren Beruf vorbereiten
können. Die vergütete Ausbildung machen wir zur Regel.
Zudem setzen wir uns dafür ein, dass Unternehmen mehr Rücksicht auf Mütter und
Väter nehmen. Wir schaffen verbindliche Kriterien für die Zertifizierung von
familienfreundlichen Unternehmen über den „Familienpakt Bayern“ hinaus. Mit
dieser neuen Vergleichbarkeit schaffen wir Anreize, dass mehr Betriebe
teilnehmen und haben zum Ziel, dass alle bayerischen Unternehmen bis 2035
tatsächlich familienfreundlich sind.
Gutes Wohnen
Bezahlbares Wohnen ist ein grundlegender Bestandteil für den sozialen
Zusammenhalt. Die Wohnungsfrage ist eine der drängendsten Gerechtigkeitsfragen
unserer Zeit. Jeder Mensch hat Anspruch auf eine angemessene Wohnung – der Staat
kommt hier seiner verfassungsmäßigen Verpflichtung aber nicht genug nach. Gerade
weil das Dach über dem Kopf ein knappes und wertvolles Gut ist, dürfen wir es
nicht allein den Kräften des Marktes überlassen. Die Politik muss regelnd
eingreifen. Wir wollen den sozialen Wohnungsbau stärken und jährlich 10.000
öffentlich geförderte Mietwohnungen schaffen. Damit diese langfristig erhalten
bleiben, wollen wir die Bindungsfrist verbindlich auf 40 Jahre verlängern.
Außerdem wollen wir es Kommunen ermöglichen, bestehende Wohnungen als
Sozialwohnungen zu nutzen durch den Erwerb von Belegungsrechten im
Wohnungsbestand. Wir unterstützen gemeinschaftliche, experimentelle und
genossenschaftliche Wohnformen. Auch die Umgebung einer Wohnung – das Quartier –
trägt dazu bei, dass Menschen sich wohlfühlen, dass sie gut und gesund leben
können. Wir fördern deswegen nicht nur Sozialwohnungen, sondern auch
Bewohner*innentreffs, Quartiersplätze und Gemeinschaftsgärten im Quartier. Damit
auch ältere Menschen selbstbestimmt leben können, braucht es mehr
altersgerechten und barrierefreien Wohnraum. Wir wollen Wohnungen und Quartiere
so gestalten, dass alle Menschen möglichst selbständig und unabhängig leben
können. Die stärksten Kostentreiber beim Wohnen sind Grundstücks- und
Baulandpreise. Spekulationen mit Grund und Boden wollen wir eindämmen und
Wohnungspolitik stärker am Gemeinwohl ausrichten. Wir unterstützen die kommunale
Bodenbevorratung und die Einrichtung von Bodenfonds und ermöglichen es den
Kommunen, im Bebauungsplan einen Mindestanteil von Sozialwohnungen vorzusehen.
Mietwucher und Diskriminierung auf dem Wohnungsmarkt unterbinden wir und
verbessern so die prekäre Wohnsituation bedürftiger Menschen. Wir werden uns für
ein sozialeres Mietrecht einsetzen, das die Interessen der Mieter*innen endlich
ebenso berücksichtigt wie die der Vermieter*innen. Wir wollen Mietobergrenzen im
Bestand ermöglichen, Mieterhöhungen begrenzen, die Mietpreisbremse entfristen
und schärfen. Wir nutzen die rechtlichen Möglichkeiten im Freistaat, um
Mieter*innen besser vor Verdrängung zu schützen. Um die Ausgrenzung auf dem
Wohnungsmarkt zu beenden, starten wir ein Aktionsprogramm das Wohnungs- und
Obdachlose bei der Wohnungssuche unterstützt.
Zu gutem Wohnen gehört aber auch der Klimaschutz: Wir investieren in eine
moderne, klimafreundliche Wärmeversorgung. Dabei muss es sozial gerecht zugehen.
Wir fordern einen Aktionsplan Faire Wärme. Mieter*innen schützen wir, indem wir
die Kosten für energetische Sanierung fair zwischen Staat, Eigentümer*innen und
Haushalten aufteilen. Eigentümer*innen von Ein- und Zweifamilienhäusern
unterstützen wir mit kostenloser Beratung und attraktiver Förderung.
Gute Arbeit
Die soziale Mindestabsicherung ist ein hohes Gut, die noch mehr Menschen
erreichen muss. Dazu gehört ein armutsfester Mindestlohn. Wenn Arbeit in
Vollzeit nicht ausreicht, um ein gutes und selbstbestimmtes Leben zu führen,
dann läuft etwas falsch. Menschen müssen von ihrer Arbeit leben können – nicht
nur überleben. Und das nicht nur während ihrer Berufstätigkeit, sondern auch
danach in der Rente. Und es reicht nicht, wenn der armutsfeste Mindestlohn auf
dem Papier besteht – er muss auch durchgesetzt werden und in den Geldbeuteln der
Beschäftigten landen. Wir setzen uns für mehr Kontrollen und mehr Personal dafür
ein. Mit einem bayerischen Vergabegesetz soll der Freistaat als Beispiel
vorangehen: Er muss in Zukunft darauf achten, dass bei allen öffentlichen
Aufträgen gleiche Bezahlung für alle Geschlechter, Tarifverträge, Mindestlohn
und ökologische Standards eingehalten werden.
Frauen verdienen immer noch weniger als Männer. Wir schließen den Gender-Pay
Gapund sichern gleiche Bezahlung von Frauen und Männern. Wir führen ein
effektives Entgeltgleichheitsgesetz ein, das auch für kleine Betriebe gilt und
die Unternehmen verpflichtet, von sich aus über die Lohnstruktur und über ihre
Maßnahmen für Entgeltgleichheit zu berichten. Wir werten die sozialen
Dienstleistungsberufe auf.
Für einem zukunftsfesten Arbeitsmarkt braucht es auch erfolgreiche
Berufsausbildungen. Eine Ausbildung ist für viele der erste Schritt in die
Berufswelt und damit in ein selbstbestimmtes Leben. Alle bayerischen
Jugendlichen, die möchten, sollen direkt nach der Schule eine Berufsausbildung
beginnen können. Deshalb setzen wir uns für eine Ausbildungsgarantie ein. Zu
viele Ausbildungsstellen bleiben unbesetzt und trotzdem gibt es noch immer
Jugendliche, die leer ausgehen. Wir wollen mit der Garantie ein effizientes und
zielführendes Beratungsangebot schaffen, das allen Jugendlichen Betriebe mit
offenen Lehrstellen oder, sollte dies nicht gelingen, auf Wunsch eine
betriebsnahe Ausbildung vermittelt. Auch junge Erwachsene in besonderen
Lebenslagen sollen erfolgreich ins Berufsleben starten können. Deshalb setzen
wir uns für den Ausbau von Teilzeitausbildungen ein. Damit wollen wir es
insbesondere Alleinerziehenden, junge Familien mit Kindern und pflegenden
Angehörigen ermöglichen, einen Beruf zu erlernen.
Manchen Menschen fällt es trotz guter Konjunkturlage schwer, auf dem
Arbeitsmarkt Fuß zu fassen, nachdem sie ihren Job verloren haben. Sie wollen wir
mit einem Landesprogramm nach dem Vorbild Baden-Württembergs gezielt
unterstützen. Dafür errichten wir Beratungszentren für Arbeitssuchende und ein
Programm, um Langzeitarbeitslose besonders zu unterstützen und wieder auf die
Berufswelt vorzubereiten.
Wir wollen, dass Tarifverträge und starke Mitbestimmung für deutlich mehr
Beschäftigte und Betriebe gelten. Außerdem wollen wir es leichter machen,
Tarifverträge für allgemeinverbindlich zu erklären, damit sie für die gesamte
Branche gelten. Betriebsrät*innen wollen wir besser schützen. Wer einen
Betriebsrat gründen will braucht Kündigungsschutz. Wir bauen die
Mitbestimmungsrechte aus und modernisieren sie - für mehr Einfluss in der
Personalentwicklung, der Stärkung von Frauen und der Verbesserung der
Klimabilanz im Unternehmen. So können die Beschäftigten den zukunftsorientierten
Wandel der Arbeitswelt mitgestalten.
Zu einem modernen Arbeitsplatz gehört eine gute Internetanbindung. Gerade in
ländlichen Gebieten lassen die bisherigen Bestrebungen der Staats- und
Bundesregierung zu wünschen übrig. Ob Lehrer, Schreinerin oder
Maschinenbaubetrieb: Sie alle brauchen schnelles Internet und flächendeckenden
Mobilfunk, und zwar überall. Nur so bleibt der Standort Bayern wettbewerbsfähig
und auch in Zukunft attraktiv. Wir fordern ein Pilotprojekt: Alle Haushalte und
Betriebe in Pilotgemeinden sollen 500 Euro Unterstützung erhalten, wenn sie sich
ans Glasfasernetz anschließen lassen.
Für Pendler*innen ist ein guter öffentlicher Nahverkehr essenziell, daher setzen
wir uns für eine Mobilitätsgarantie ein: In allen Dörfern über 200
Einwohner*innen soll es mindestens jede Stunde eine Fahrmöglichkeit geben.
Außerdem wollen wir Pendler*innen mit niedrigen Einkommen unterstützen, die auf
das Auto angewiesen sind: Wir legen einen Fonds auf, der großzügige Zuschüsse
beim Umstieg auf ein emissionsfreies Auto auszahlt.
Flächendeckend gute Gesundheitsversorgung und Pflege
Wir wollen gute gesundheitliche Versorgung sicherstellen: für alle Menschen, in
jedem Alter, in Stadt und Land. Welche Angebote es vor Ort gibt, darf nicht nur
davon abhängen, was sich rentiert, sondern soll sich danach richten, was nötig
ist. Die Versorgung mit Haus- wie Fachärzt*innen muss bayernweit sichergestellt
sein. Deshalb schaffen wir eine umfassende Versorgungsplanung, die die enge
Zusammenarbeit zwischen ambulanter und stationärer Versorgung und zwischen
ärztlichen und nichtärztlichen Akteuren im Gesundheitswesen endlich möglich
macht und die Landkreise und Gemeinden in die Planung einbezieht. Ländliche
Regionen können hier Vorreiter werden. Die flächendeckende, verlässliche
Versorgung wollen wir durch die verantwortungsvolle Nutzung von Telemedizin
ergänzen. Krankenpflegekräfte, Hebammen, Geburtshelfer und weitere
nichtärztliche Berufe sollen mehr Kompetenzen erhalten. Für alle medizinischen
Berufsgruppen wollen wir die Ausbildung auf hohem Niveau und Praxiserfahrungen
in Ihren Heimatregionen ermöglichen. Die Bedarfsplanung für Haus- und
Fachärztinnen muss auch die Alterszusammensetzung der Bevölkerung in einer
Region und das Alter der Praxisinhaber*innen berücksichtigen, um absehbare
Unterversorgung im Voraus abzuwenden. Wir schaffen mehr Plätze für ambulante
Psychotherapien, indem mehr Psychotherapeut*innen eine Kassenzulassung erhalten.
Ob Kinderintensivbett oder Geburtsstation, wohnortnahe klinische Versorgung darf
nicht verloren gehen. Bayern braucht eine Krankenhausplanung, die verbindliche
Vorgaben für die räumliche Abdeckung mit stationären Versorgungsangeboten
unterschiedlicher Versorgungsstufen festlegt und durchsetzt. Der Bund soll dafür
bundesweite Grundsätze der Krankenhausplanung definieren können. Darauf
aufsetzend fordern wir ein neues Finanzierungssystem für Kliniken: Kliniken, die
einen Grundversorgungsauftrag in der Fläche erfüllen oder personalintensive
Medizin anbieten, wird mengenunabhängig finanziert. Die Leistungsabrechnung der
Krankenhäuser muss darüber hinaus deutlich einfacher werden.
Um unsere Kliniken zu digitalisieren und energetisch zu modernisieren, heben wir
die staatlichen Krankenhausinvestitionsmittel in den nächsten Jahren auf ein
auskömmliches Niveau und verteilen sie nicht mit der Gießkanne, sondern anhand
der verbindlichen Krankenhausplanung. Die Investitionskosten sollen Bund und
Länder gemeinsam tragen.
Mit verbindlichen Pflegebedarfsplanungen in den Kreisen und Gemeinden schaffen
wir flächendeckend ein ausreichendes Angebot an stationären Pflegeeinrichtungen
und ambulanten Pflegediensten. Die Planung der pflegerischen Versorgung muss in
eine kommunale Sozialraumplanung integriert sein. Pflegende Angehörige
unterstützen wir außerdem mit Beratungsangeboten in Pflegestützpunkten in allen
Landkreisen. Es braucht endlich eine solidarische und zukunftssichere
Pflegeversicherung, die ein verlässliches Angebot für alle schafft. Wir fordern
daher eine großangelegte Reform und eine doppelte Pflegegarantie: Zum einen soll
der Eigenanteil künftig festgeschrieben und gedeckelt werden – damit wird die
finanzielle Vorsorge für die selbst aufzubringenden Kosten verlässlich planbar.
Zum anderen soll die Pflegeversicherung in Zukunft alle darüber hinaus gehenden
Kosten für die bedarfsgerechte Versorgung übernehmen. Nur so erhalten alle
Pflegebedürftigen die notwendigen Pflegeleistungen und die Unterversorgung, die
insbesondere in der häuslichen Pflege vorkommen kann, hat ein Ende. Um den
Pflegeberuf in Bayern attraktiver zu machen, setzen wir uns für mehr Personal
durch einen bundesweit einheitliches Personalbemessungsinstrument ein. Bessere
Bezahlung erreichen wir durch einen allgemeinverbindlichen Tarifvertrag. Bayern
soll zukünftig nur noch mit jenen Pflegeeinrichtungen Verträge abschließen, die
Tariflöhne bezahlen. Pfleger*innen brauchen eine starke Lobby, die ihre
Interessen gegenüber Politik und anderen Akteur*innen vertritt. Deshalb kämpfen
wir GRÜNE weiter für eine Pflegekammer in Bayern.
Zivilgesellschaft stärken
Ein starkes Miteinander funktioniert nur, wenn alle dabei seien und mitmachen
können. Dazu weiten wir die schulische und außerschulische Demokratiebildung
aus. Die vielen zivilgesellschaftlichen Akteure stärken wir mit einem
Landesprogramm zur Stärkung der Zivilgesellschaft. Wir setzen uns zudem für ein
Demokratiefördergesetz auf Bundesebene ein. Auf allen Ebenen engagieren sich
Menschen ehrenamtlich für andere und für den guten Zweck. Wir wollen
Ehrenamtliche stärker anerkennen und unterstützen. Wir fordern ausreichend
Plätze für den Jugendfreiwilligendienst. Vereine, Initiativen und das Ehrenamt
leisten großartige Arbeit für unsere Demokratie: im Kampf gegen
Rechtsextremismus, Rassismus, Antisemitismus, Antiziganismus,
Muslimfeindlichkeit, Homo- und Transfeindlichkeit, Sexismus,
Behindertenfeindlichkeit und andere Formen gruppenbezogener
Menschenfeindlichkeit. Mit einem Fördertopf für Demokratie wollen wir sie
besonders unterstützen. Zum Mitmachen und Mitbestimmen gehört für uns GRÜNE auch
die schrittweise Absenkung des Wahlalters in Bayern, im ersten Schritt auf 16
Jahre.
Auch in Bayern gibt es immer weniger öffentliche Orte, die von allen genutzt
werden können. Orte, an denen man nichts kaufen muss und sich treffen, ratschen
und erholen kann. Genau diese Orte braucht es als Begegnungsstätte. Hier treffen
sich Menschen jeder Herkunft und aus allen sozialen Milieus. Wir wollen
öffentliche Treffpunkte in Ortszentren erhalten und bayernweit in allen
Gemeinden schaffen. Unsere Maxime in der Ortsentwicklung bleibt: Innen- vor
Außenentwicklung. Kultur als Teil der Daseinsfürsorge stärkt sozialen
Zusammenhalt, sie eröffnet Ausblicke wie Einblicke, Diskursräume und neue
Perspektiven. Darum braucht es öffentliche Innen- und Außenräume, die alle neben
einer künstlerischen auch zu einer sozio-kulturellen Nutzung einladen. An Orten
des kulturellen Austauschs innerhalb der Kommunen kommen Menschen wieder
zusammen und stärken Beziehungen zwischen Nachbargemeinden. Wir sprechen uns für
Bürger*innen-Beteiligung in allen Gemeinden und eine Pflicht zur
Jugendbeteiligung aus, damit Bürger*innen selbst mitgestalten können. Wir stehen
für eine solide Finanzausstattung der Kommunen zur öffentlichen Daseinsvorsorge.
Bayern wird gleichberechtigt, inklusiv und vielfältig
Unser Leitbild ist das Grundgesetz. Die Achtung und Wahrung der Menschenwürde
und der persönlichen Freiheiten, gleiche Rechte für alle Menschen – das ist
unsere grüne DNA. Hass und Hetze setzen wir ein klares Nein entgegen. Der Schutz
vor Diskriminierung ist eine zentrale Aufgabe des Staates. Wir wollen es allen
Menschen ermöglichen, sich frei zu entfalten. Dazu müssen wir Diskriminierungen
abbauen - mit einem Landesaktionsplan gegen Rassismus und einem
Landesantidiskriminierungsgesetz. Eine Antidiskriminierungsstelle des Freistaats
soll der zentrale Anlaufpunkt für alle Menschen werden, die von gruppenbezogener
Menschenfeindlichkeit betroffenen sind. Sie entlastet die Beratungsstellen, die
es in einigen größeren Kommunen bereits gibt, und schafft in vielen kleinen
Kommunen zum ersten Mal ein Beratungsangebot gegen Antisemitismus, LGBTIQ*-
Feindlichkeit und Rassismus. Wir Grüne gestalten Geflüchtetenpolitik in Bayern
endlich menschlich. Wir fordern ein sofortiges bayerisches Aufnahmeprogramm für
alleinlebende Frauen mit und ohne Kinder, für unbegleitete minderjährige
Flüchtlinge und für Menschen mit Behinderung, die derzeit in den
Flüchtlingslagern auf den griechischen Inseln leben.
Wir wollen in Bayern gleiche Chancen auch für Menschen mit Behinderung schaffen,
so wie es die von Deutschland unterschriebene UN-Behindertenrechtskonvention
fordert. Wir sorgen dafür, dass sie in allen Lebensphasen umfassend, zuverlässig
und unbürokratisch unabhängige Beratung, Assistenz und Hilfsmittel erhalten. Wir
fordern einen verbindlichen Aktionsplan Inklusion, dessen Umsetzung von einer
unabhängigen Anlauf- und Monitoringstelle kontrolliert wird und für dessen
Umsetzung Geld bereitgestellt wird.
Frauen müssen endlich die Hälfte von allem bekommen. Patriarchale
gesellschaftliche Strukturen hindern Frauen immer noch daran, aufzusteigen, ob
in Wirtschaft oder Politik. Hier müssen wir besser werden. Wir GRÜNE wollen
Frauen endlich den Platz einräumen, der ihnen zusteht: Daher fordern wir für
alle Parlamente ein Paritätsgesetz, das sicherstellt, dass Frauen mindestens die
Hälfte der Sitze erhalten. Gewalt gegen Frauen nahm besonders in der Corona-
Krise zu. Wir stärken den Schutz von Frauen vor Gewalt und schaffen endlich
ausreichend Plätze in Frauenhäusern sowie ein ausreichendes Angebot in
Beratungsstellen – telefonisch, digital und von Angesicht zu Angesicht. Wir
fordern sofort 150 zusätzliche Frauenhausplätze sowie mittelfristig eine
Erhöhung der Frauenhausplätze auf 1 Platz je 10000 Frauen zwischen 18 und 80
Jahren. Außerdem stärken wir die Datenerhebung und Forschung zu Gewalt gegen
Frauen und die schulische und außerschulische Prävention von Gewalt gegen
Frauen. Damit es in Bayern in Zukunft gerecht zugeht.
Änderungsanträge
- Ä1 (Stefan Schmidt (KV Regensburg-Stadt), Claudia Müller-Völkl (KV Schwandorf), Modifiziert übernommen)
Kommentare
Peter Oschatz:
Dann zum Ehegattensplitting. Das gehört eigentlich abgeschafft. Stammt aus einer patriarchalischen Zeit in der die Frau hauptsächlich Hausfrau und der Mann fürs Geld verdienen zuständig war. Und auch heute ist es noch so, dass steuerlich ein Kind mit Abstand nie soviel bringt wie ein Ehepartner/in welcher nicht berufstätig oder nur Minijob macht. Klar müssen und sollen Familien und Kinder entlastet werden aber nicht so, indem derjenige mit z.B. 100 000 € Jahresgehalt Brutto verheiratet mit Partner ohne Arbeitseinkommen sein zu versteuerndes Einkommen gleich mal halbiert. Wird man wahrscheinlich aber nur sehr schwer wieder los, da viele Abgeordnete und hohe Beamte davon profitieren. Genau so sagt mir mein Gerechtigkeitsempfinden, dass für Ehepartner ohne Kinder die kostenlose Familienversicherung in der gesetzl. Krankenversicherung abgeschafft werden sollte.
Letzter Kommentar zur Gesundheitsversorgung. Wir brauchen mehr Ärzte die sich Zeit für ihre Patienten nehmen oder nehmen können und nicht hauptsächlich Kaufleute und Unternehmer sind. Telemedizin ist hier keine Lösung, das vereinfacht nur das Geld verdienen. Wir haben einen riesigen bürokratischen Apparat mit über 100 gesetzl. Krankenkasse, eine Kassenärztliche Vereinigung mit tausenden Angestellten und einen komplizierten Abrechnungssystem und wenn man zum Arzt geht, schaut der in seinen Computer um dort so was wie eine Diagnose zu finden. Bei meinen letzten 3 Arztbesuchen wurde ich nie untersucht und es lief genauso ab. Ich schlage vor hier über radikalere Lösungen nachzudenken und das Gesundheitssystem aus dem System der Geldvermehrung zu nehmen. Mit einem Arzt der sich mit Medizin beschäftigt und nicht mit BWL. Mit freundlichen Grüßen Peter Oschatz
Sophie Schuhmacher:
Z. 195 fehlt ein Leerzeichen (Gap_und)
Z. 200 einen (statt einem)