Veranstaltung: | Landesdelegiertenkonferenz 2024 |
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Tagesordnungspunkt: | TOP 7 Anträge |
Antragsteller*in: | Gerhard Müller (KV Würzburg-Land), Martin Wagner (KV München-Land) |
Status: | Eingereicht |
Eingereicht: | 28.12.2023, 13:55 |
A6: Gerecht und unabhängig - wir stärken Jugendarbeit
Antragstext
Jugendarbeit muss auf allen Ebenen bedarfsgerecht
ausgestattet und unabhängig sein
Die letzten Landtagswahlen haben es gezeigt: Kinder, Jugendliche und
Heranwachsende spielen für die bayerische Staatsregierung keine Rolle. Im
Koalitionsertrag von CSU und Freien Wählern kommt die Jugendarbeit als solche
praktisch nicht vor, schon gar nicht eine eigene Jugendpolitik. Auch das
Wahlalter ab 16 auf kommunaler und bayerischer Ebene wird erneut nicht
umgesetzt. Eine solche Nicht-Beachtung der Frage, wie die zukünftigen
Generationen von Arbeiter*innen, Akademiker*innen und Entscheidungsträger*innen
fit für die Herausforderungen der Zukunft gemacht werden sollen, ist
erschreckend!
Die letzten U-18-Wahlen machen außerdem deutlich, dass auch junge Menschen
anfällig sind für populistische und verfassungsfeindliche Parolen. Hier ist
natürlich auch die Schullandschaft gefordert. Sozialkunde und politische Bildung
dürfen in den Lehrplänen nicht weiter eine Randnotiz bleiben. Aber Politik- und
Demokratiebildung brauchen neben diesen formalen Lernumgebungen vor allem den
weiteren Raum nonformaler und informeller Bildungsprozesse, in denen
Information, Auseinandersetzung, sich Ausprobieren, Teilhaben und Gestalten ohne
schulischen Leistungsdruck stattfinden können.
Ziel muss es sein, junge Menschen „demokratiefest“ zu machen. Der 16. Kinder-
und Jugendhilfebericht der Bundesregierung hat 2020 hierzu herausgestellt, dass
eine auskömmliche und verlässliche Grundförderung der etablierten Jugendarbeit
der beste Ansatz für die politische Jugendbildung darstellt.
Steigende psychische Belastungen und zunehmender Verwaltungsaufwand für die, die
sich engagieren wollen, sowie immense und vielfach miteinander verwobene globale
Krisen, deren Auswirkungen vorrangig die heute jungen Menschen betreffen werden:
Um diesen Herausforderungen zu begegnen, müssen die Strukturen der Jugendarbeit
insbesondere durch Fachkräfte so ausgestattet werden, dass Ehrenamtliche mit der
Übernahme von Verantwortung, z.B. eines Vorstandsamtes in ihrer Gliederung,
nicht überfordert werden. Mitarbeiter*innen müssen sich ausreichend qualifiziert
fühlen. Und Kinder und Jugendlichen müssen ein Angebot vorfinden, dass sie
teilhaben lässt an der Gestaltung der Gesellschaft und der Herausforderungen
unserer Zukunft!
Das kann nur gelingen, wenn auf allen drei kommunalen Ebenen die Jugendarbeit
bedarfs-GERECHT und verlässlich so ausgestattet ist, dass sie ihre
Unabhängigkeit bewahren und Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen einen
selbstverantworteten, selbstorganisierten Handlungsraum für selbstwirksame Lern-
, Gestaltungs- und Freizeiträume bieten kann.
Bündnis 90/Die Grünen nehmen hier zunehmende Defizite wahr, die nach unserer
Einschätzung in Teilen bereits einen Angriff auf die Unabhängigkeit der
Jugendarbeit darstellen: Stadt-, Kreis- und Bezirksjugendringen werden die
Mittel derart drastisch gekürzt, dass sie nicht oder nur noch unter erschwerten
Bedingungen in der Lage sind, ihren Aufgaben gerecht zu werden.
Gleichzeitig ist die Jugendarbeit vermehrt Adressat von Wünschen der Politik,
welche Themen sie aufgreifen und bearbeiten solle: “Mehr Volksmusik statt Hip
Hop”, “weniger Debatten um fleischlose Ernährung”, “weniger Fokus auf
‘Randgruppen’, mehr Inhalte der ‘breiten Mehrheit’” – das sind nur einige
Beispiele, die offen oder hinter vorgehaltener Hand der Jugendarbeit mit mehr
oder weniger (finanziellem) Nachdruck nahegelgt werden.
Dabei gilt nach SGB XIII im Hinblick auf die Jugendarbeit das
Subsidiaritätsprinzip in Form der Angebote anerkannter Träger der freien
Jugendhilfe, also der Jugendverbände, Gemeinschaften, Initiativen und
Jugendringe, die im Bayerischen Jugendring mit seinen Untergliederungen
zusammengeschlossen sind. Diese sind demokratisch legitimiert und legen ihre
Inhalte selbst fest. Das fundamentale Grundprinzip der Jugendarbeit lautet:
Lernen von und mit der freiwillig gewählten Gruppe von Gleichgesinnten in
ehrenamtlich getragenen, demokratisch ausgehandelten und selbstorganisierten
Prozessen. Das ist Partizipation, die jungen Menschen eine Qualifizierung,
Selbstpositionierung und das Erlangen einer Verselbständigung in einem Maße
ermöglicht, wie sie in formalen Bildungskontexten wie der Schule nicht möglich
ist. Durch diese Reallabore der Partizipation können Kinder und Jugendliche ganz
selbstverständlich in die gesellschaftliche und demokratische
Verantwortungsübernahme hineinwachsen.
Solange die Jugendarbeit im eigenen Wirkungskreis auf dem Boden der Demokratie
und der Verfassung bleibt, verbietet sich von daher jegliches Ansinnen,
Zuschüsse davon abhängig zu machen, ob die von den Verantwortungsträgern in der
Jugendarbeit gewählten Inhalte und Formate den Vorstellungen der – meist älteren
– kommunalen Mandatsträger*innen oder der Verwaltung der jeweiligen Ebene
entsprechen.
Wir fordern:
- Wahlalter ab 16
- Eine verlässliche Finanzierung der Stadt- und Kreisjugendringe, der
Bezirksjugendringe sowie des Bayerischen Jugendrings der jeweiligen
kommunaleen Ebenen sowie durch Mittel des Freistaats Bayern.
- Eine Finanzierung, die den in den Ringstrukturen tätigen Verbänden,
Gruppierungen und Initiativen die inhaltlich unabhängige Ausgestaltung
ihrer Arbeit ermöglicht.
- Eine Ausstattung der Jugendarbeit auf allen Ebenen, die ehrenamtlichen
Jugendlichen und Jungen Erwachsenen die Übernahme von Verantwortung z.B.
in Vorstandsämtern durch eine ausreichende hauptamtliche Begleitung und
Unterstützung möglich macht.
- Eine eigenständige Jugendpolitik auf allen kommunalen Ebenen und auf
Landesebene, die alle Entscheidungen auf ihre Auswirkung für die
Heranwachsenden hin überprüft und Kinder-, Jugendliche und junge
Erwachsene an den sie betreffenden Entscheidungen teilhaben lässt.
- Eine verbesserte Förderung der Jugendarbeit der Bayerischen Landeszentrale
für politische Bildungsarbeit durch den bayerischen Landtag.
- Ein Ausbauprogramm „Fachkräfte für die Jugendarbeit“, um die Beschäftigung
sowie die Weiterqualifizierung von Fachkräften dauerhaft zu sichern. Zudem
soll vom Modell der befristeten Beschäftigung abgerückt werden und
Dauerstellen für die Jugendarbeit finanziert werden.