Veranstaltung: | Landesdelegiertenkonferenz |
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Antragsteller*in: | Bezirksvorstand Oberbayern, Gülseren Demirel (KV München) (dort beschlossen am: 01.07.2017) |
Status: | Eingereicht |
Eingereicht: | 07.09.2017, 21:20 |
A12: „Kein Mensch ist illegal-für einen Neustart in der Bayerischen Flüchtlingspolitik“
Antragstext
Die Bayerische Staatsregierung hat in der Flüchtlingspolitik jegliches Maß
verloren. Ein Tabubruch folgt auf den nächsten. Die Vollstreckung einer
Abschiebung kann direkt aus der Schule erfolgen. Die Institution des
Kirchenasyls wird immer wieder in Frage gestellt. In den vergangenen Monaten
wurden gegen mehrere Dutzend Pfarrer oder Kirchenmitglieder Verfahren
eingeleitet, die Flüchtlinge aufgenommen hatten. Begründet werden die
Ermittlungen mit dem Verdacht auf „Beihilfe zum unerlaubten Aufenthalt".
Auch die Trennung von Familien durch Abschiebungen ist kein Tabu mehr - ohne
Rücksicht auf das Wohl von Kindern.
Besonders perfide Ausmaße zeigte das Abschiebesystem der Staatsregierung an den
Abschiebelagern (der ehemaligen Ankunfts- und Rückführungseinrichtung ARE I) in
Ingolstadt und Manching, welche im Juli diesen Jahres in das BayTMI (Bayerisches
Transitzentrum Manching/Ingolstadt) umgewandelt, bzw umbenannt wurden.
In der Vergangenheit waren massive Verstöße gegen Flüchtlings- und Grundrechte
in der ARE I an der Tagesordnung. Es besteht keinerlei Anlass zur Annahme, dass
sich die Situation nach der Umwandlung in ein bayerisches Transitzentrum
verbessert hat. Nach wie vor werden die Dependancen von Securities bewacht,
immer noch dürfen keinerlei Nahrungsmittel in die Lager mitgenommen werden. Auch
am BayTMI wird schulpflichtigen Kindern nur ein beschränkter Schulbesuch
ermöglicht, die meisten von ihnen werden an einer der Dependancen unterrichtet
und dürfen keine regulären Schulen besuchen. Gewaltsame Abschiebeversuche und
Familientrennungen sind nicht nur aus der ehemaligen ARE I bekannt, sondern
finden auch am BayTMI statt, wie der Bayerische Flüchtlingsrat auf seiner
Homepage berichtet. Und dies obwohl es bislang zum Grundsatz gehörte, Familien
bei der Abschiebung nicht zu trennen. Auch bei Abschiebungen nach Afghanistan
werden immer wieder Vaterschaften oder beantragte standesamtliche
Eheschließungen ignoriert.
Abschottung der Bewohnerinnen und Bewohner gehörten zum Prinzip an ARE I ebenso
wie jetzt am BayTMI. Seit 2015 gab es kein ehrenamtliches Engagement mehr an den
Abschiebelagern, nachdem von der Regierung von Oberbayern Deutschkurse durch
Ehrenamtlich untersagt worden war. Asylsozialberatung durch die Caritas, welche
an den vier Dependancen der ehemaligen ARE I mit 4,5 Vollzeitstellen vertreten
war und mit gleicher Besetzung an der BayTMI vertreten ist, darf dort nur
„niedrigschwellig“ erfolgen. Eine Asylverfahrensberatung durch die
Mitarbeiter*innen der Caritas, insbesondere die Vermittlung an Rechtsanwälte,
ist seitens der Staatsregierung nicht erwünscht. Mitarbeiter*innen des
Bayerischen Flüchtlingsrates haben Hausverbot. Und selbst Mandatsträger*innen
sowie der oberbayerischen Bezirksvorsitzenden von Bündnis 90 /DIE GRÜNEN wurde
seitens der Regierung von Oberbayern vor der Umwandlung der ARE I ins BayTMI
kein Besuch mit Gesprächstermin vor Ort gewährt.
Erst nach Eröffnung des BayTMI wurde ein Besuchstermin ausschließlich für
Mandatsträger*innen organisiert. Ebenso wie zuvor die Ankunfts-und
Rückführungseinrichtungen verfolgen die sogenannten Transitzentren das erklärte
Ziel der „Verfahrensbeschleunigung“. Die organisatorische Infrastruktur der
Einrichtungen soll diese „Verfahrensbeschleunigung“ bewirken. Mehrere
Organisationen wie beispielsweise der Bayerische Flüchtlingsrat und das UNHCR
äußerten in der Vergangenheit mehrfach Zweifel, ob an den damaligen ARE I und II
(in Bamberg) Rahmenbedingungen für ein faires, rechtsstaatliches Asylverfahren
gewährleistet sind. Das Interesse der Staatsregierung, Abschiebungen
„reibungslos“ und ohne Verzögerung durch rechtliche Interventionen zu
organisieren, ist hoch. Ersichtlich wird dies auch durch ein Schreiben des
Sozialministeriums vom 06.03.2017. Darin wendet sich das Sozialministerium mit
der Drohung an die Wohlfahrtsverbände in Bayern, die Finanzierung drastisch zu
kürzen, sollten diese weiterhin Flüchtlinge dahingehend beraten, was bei
drohenden Abschiebungen unternommen werden könnte.
507 Personen, überwiegend aus der Ukraine und von den Balkanländern, waren
zuletzt an der ARE I mit ihren vier Dependancen untergebracht (Stand 29.05.2017)
und dies bei einer Aufnahmekapazität von insgesamt 1.748 (Stand 29.05.2017).
Nach Umwandlung ins BayTMI stiegen die Belegungszahlen und beliefen sich im
August auf 1.019 (Stand 31.08.2017). Dieser Anstieg erklärt sich dadurch, dass
neben Geflüchteten aus sogenannten „sicheren Herkunftsländern“ wie Albanien,
Bosnien-Herzegowina, Kosovo, Serbien, Mazedonien und Montenegro sowie neben
Geflüchteten aus der Ukraine nun auch Geflüchtete aus Nigeria und Afghanistan
dort untergebracht sind. Auch in Regensburg wurde im Juli 2017 ein
Transitzentrum eröffnet, noch in diesem Jahr soll zudem in Deggendorf ein
Transitzentrum entstehen. Nach Aussage von Sozialministerin Emilia Müller (CSU)
gehe es darum, an den „Transitzentren“ für Flüchtlinge mit „geringer
Bleibeperspektive“ „Verfahren zu beschleunigen und zeitnahe Rückführungen zu
ermöglichen“. „Transitzentren“ sind ein Bayerischer Sonderweg, in keinem anderen
Bundesland wird derzeit die Einrichtung von Transit- bzw. Ankunftszentren auch
nur in Erwägung gezogen.
Ein weiterer Baustein im Abschiebesystem der Staatsregierung ist die Einrichtung
von Abschiebehaftanstalten. Gemäß § 62 AufenthG ist Abschiebungshaft als letztes
Mittel einer Abschiebung vorgesehen, falls diese nicht auf einem anderen Weg
durchgesetzt werden kann: „Abschiebungshaft ist unzulässig, wenn der Zweck der
Haft durch ein milderes, ebenfalls ausreichendes Mittel erreicht werden kann.“
Einziges „Vergehen“ der allermeisten in Abschiebehaft Untergebrachten ist der
Verdacht, sie könnten sich einer bevorstehenden Abschiebung entziehen. Eine
Reihe von Gerichtsurteilen haben dazu geführt, dass auch in Bayern
Abschiebehäftlinge nicht mehr in Haftanstalten eingesperrt werden dürfen, in
denen auch Straftäter einsitzen. In Abschiebehaft kommen also keine
Geflüchteten, die eine Straftat begangen haben. Auch für sogenannte „Gefährder“
ist die Abschiebehaft nicht vorgesehen, diese sollen nach Auskunft der
Staatsregierung in Hochsicherheitsbereichen der regulären
Justizvollzugsanstalten untergebracht werden. Ab Juni 2017 hat die
Justizvollzugsanstalt Eichstätt den Vollzug der Abschiebungshaft übernommen mit
einer Belegungskapazität von 98 Personen. Abschiebungsgefangene werden seitdem
nicht mehr wie bisher in Mühldorf am Inn, sondern in Eichstätt untergebracht.
Dort formierte sich in den letzten Monaten massiver Widerstand gegen das
Abschiebegefängnis. Seit der Eröffnung häufen sich Meldungen über Tumulte unter
den dort Inhaftierten.
Wir haben kein Verständnis, dass Geflüchtete inhaftiert werden können, obwohl
sie keine Straftat begangen haben.
Zusätzlich plant die Staatsregierung eine weitere Abschiebehafteinrichtung in
Passau mit 100 Plätzen. Hierfür sind in den Haushalten 2017/2018 Planungsmittel
eingestellt.
Die Staatsregierung setzt in ihrer Flüchtlingspolitik auf Einschüchterung und
Abschreckung und nimmt dabei in Kauf, dass Menschen in Länder wie Afghanistan
abgeschoben werden, wo ihr Leben bedroht ist. Oder in Länder des Balkans, wo
Homosexuelle und Angehörige von RAE (Roma, Ashkali, Egytian) - Minderheiten
systematisch diskriminiert werden. Viele der Rückkehrerinnen und Rückkehrer aus
den Balkanländern stehen in ihrer Heimat vor dem Nichts, haben keine Wohnung und
keinen Arbeitsplatz. Die Rückkehrberatung an der ARE I hat diesen Menschen in
der Regel keine Unterstützung beim (Wieder-) Aufbau einer Existenz in ihrer
Heimat geboten. Es gibt keine Anzeichen dafür, dass sich dies nach der
Umwandlung der ARE I ins BayTMI geändert hat.
Alle Menschen, die bei uns Schutz suchen, haben die gleichen Rechte und müssen
menschenwürdig behandelt werden. Dazu gehören: Eine humane Unterbringungs- und
Betreuungssituation und ein faires Asylverfahren. Das gesamte Abschiebesystem
der Bayerischen Staatsregierung mit ihrem Verwaltungsapparat der Regierung von
Oberbayern ist menschenverachtend und nicht vereinbar mit den Grünen Grundsätzen
einer humanen Flüchtlingspolitik.
Die Delegierten der Landesdelegiertenkonferenz fordern die Bayerische
Staatsregierung auf,
1. die bereits eröffneten Bayerischen Transitzentren zu schließen, keine
weiteren Transitzentren in Bayern zu eröffnen und die Örtlichkeiten und
Aufnahmekapazitäten ausschließlich für reguläre Gemeinschaftsunterkunftsplätze
bzw. Erstaufnahmeeinrichtungen mit den dafür geltenden Unterbringungsstandards
zu nutzen
2. die Rahmenbedingungen für ein faires Asylverfahren auch für Geflüchtete aus
„sicheren Herkunftsländern zu gewährleisten und allen Geflüchteten Zugang zu
unabhängiger Rechtsberatung sowie unabhängiger Asylsozialberatung inklusive
Asylverfahrensberatung zu ermöglichen, damit sie vollumfänglich über ihre Rechte
informiert sind und § 3a AsylG in erforderlichem Maß Berücksichtigung findet
sowie generell an allen Unterkünften den Betreuungsschlüssel für
Asylsozialberatung deutlich zu erhöhen
3 sich am Kosovo-Rückkehrprogramm „URA“ zu beteiligen und im Bundesrat die
Einrichtung vergleichbarer Rückkehrprogramme für andere wirtschaftlich schwache
sogenannte „sichere Herkunftsländer“ einzufordern
4 keine Abschiebehaftanstalten einzurichten, bestehende Abschiebehaftanstalten
zu schließen bzw. die Abschiebehaftanstalten in Eichstätt und Passau nicht zu
eröffnen
5 die Bundesregierung aufzufordern, keine Abschiebungen in das Bürgerkriegsland
Afghanistan vorzunehmen
6 alle vorhandenen rechtlichen Spielräume zu nutzen, um Abschiebungen in das
Bürgerkriegsland Afghanistan zu verhindern
7 sich auf allen Ebenen dafür einzusetzen, dass alle Geflüchteten Zugang zu
Integrationsleistungen, Sprachkursen, regulärem Schulbesuch, Ausbildung und
Arbeit auch während des laufenden Asylverfahrens erhalten und dass allen
Geflüchteten ab ihrer Registrierung die Möglichkeit zu gemeinnütziger und
ehrenamtlicher Arbeit angeboten wird
8 keine weiteren Geflüchteten vom Münchner Flughafen aus nach Afghanistan
abzuschieben
Begründung
Begründung zu1
Im BayTMI befinden sich mittlerweile auch zahlreiche Geflüchtete aus Nigeria und einige aus Afghanistan. Asylverfahren dürfen jedoch gemäß § 30 a Asylgesetz in „besonderen Einrichtungen“ (zu denen die Ankunfts-und Rückführungseinrichtungen gehörten, die ausdrücklich nicht als Gemeinschaftsunterkünfte deklariert waren) nur beschleunigt durchgeführt werden für Geflüchtete aus sicheren Herkunftsländern. Dazu zählen weder die Ukraine, noch Nigeria oder Afghanistan. Einige der Lager werden daher seit neuestem offiziell als Gemeinschaftsunterkünfte bezeichnet. Unterbringungsstandards gelten dort trotzdem nicht. Es hat sich also im Wesentlichen nichts geändert außer den Bezeichnungen. Transitzentren erfüllen durch die Rahmenbedingungen für die Verfahrensbeschleunigung keine Voraussetzungen für ein faires Asylverfahren, sind daher mutmaßlich rechtswidrig und müssen umgehend abgeschafft werden!
Begründung zu 2
Die Einstufung als „sichere Herkunftsländer“ bildete eine entscheidende Grundlage für die Einrichtung der beiden Abschiebelager (ursprünglich „nur“ für Geflüchtete vom Balkan) in Bamberg und Ingolstadt/Manching. Die unverändert auf Verfahrensbeschleunigung ausgelegten Verfahren an den jetzt bestehenden Transitzentren erschweren in vielen Fällen eine ausführliche und zeitintensive Überprüfung möglicher politischer oder ethnischer Verfolgung oder einer Verfolgung aufgrund der sexuellen Orientierung im jeweiligen Herkunftsland.
Für sogenannte „RAE-Minderheiten“ (Roma, Ashkali, Egyptian) sind Balkanländer nicht „sicher“. Sie sind den Balkanländern einer systematischen Diskriminierung ausgesetzt. Oftmals leben sie in ihrer Heimat in Slums an den Stadträndern und werden strukturell ausgegrenzt: Der Zugang zu Trinkwasser, Strom, Bildung, Wohnraum, Gesundheitsversorgung und zum Arbeitsmarkt ebenso wie zu den rechtsstaatlichen Institutionen wird ihnen systematisch erschwert. Auch die Flüchtlingsorganisation Pro Asyl kritisiert die hohen Ablehnungsquoten für Asylbewerber vom Westbalkan. In Bezug auf Roma aus Bosnien und Serbien könne nach Ansicht von Pro Asyl von einem „strukturellen Ausschluss" dieser Menschen aus den dortigen Gesellschaften geredet werden. Die Fakten sprechen für eine kumulative Verfolgung von RAE-Minderheiten in Ländern auf dem Balkan. Kumulative Verfolgung ist gemäß § 3a AsylG ein Asylgrund. Wir fordern daher für ausnahmslos alle Geflüchteten ein faires Asylverfahren. Denn das Asylrecht gilt für alle und kennt keine Einteilung in gute oder schlechte Bleibeperspektive.
Begründung zu 3
Gemäß der Seite des BAMFs bietet das Projekt URA (albanisch: Brücke) kosovarischen Rückkehrerinnen und Rückkehrern umfassende Beratungsleistungen und zahlreiche Angebote zur Reintegration und Unterstützung an. Ziel ist es, den Menschen eine nachhaltige Wiedereingliederung in ihrem Herkunftsland zu ermöglichen. Bis zur Mitte des Jahres 2016 haben sich gemäß Angaben des BAMFs bereits mehr als 3.000 Rückkehrerinnen und Rückkehrer zur Sozialberatung angemeldet. Innerhalb der ersten sechs Monate des Jahres 2016 betreute das Rückkehrzentrum Priština eine um nahezu 500 Prozent höhere Zahl an Personen als noch im Gesamtjahr 2014. Das BAMF informiert auf seiner Seite darüber, dass die finanziellen Unterstützungsangebote lediglich von Rückkehrerinnen und Rückkehrern in den Bundesländern Baden-Württemberg, Berlin, Bremen, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Schleswig-Holstein und Thüringen genutzt werden können. Bayern beteiligt sich nicht an diesem Kosovo-Rückkehr-Programm, sondern finanziert Rückkehrer*innen lediglich den Rückflug. Unterstützungsangebote zur Reintegration im Kosovo können Rückkehrerinnen und Rückkehrer aus Bayern folglich nicht in Anspruch nehmen.
Wir fordern daher eine Beteiligung an URA durch den Freistaat Bayern. Angesichts der hohen Nachfrage an URA ist die Einrichtung vergleichbarer Rückkehrprogramme für andere wirtschaftlich schwache sogenannte „sichere Herkunftsländer“ auf dem Balkan erstrebenswert.
Begründung zu 4
Abschiebehaft soll nach Ansicht der Staatsregierung Sammelabschiebungen vereinfachen und beschleunigen. Allerdings kam es im Abschiebegefängnis Mühldorf am Inn in der Vergangenheit in mehreren Fällen zu einer deutlichen Überschreitung der vorgesehenen Haftdauer von 60 Tagen. Im Jahr 2016 waren 19 Personen teilweise bis zu 197 Tage in Abschiebehaft. Die Kosten für die Einrichtung des Abschiebegefängnisses in Eichstätt werden von der Staatsregierung mit 7,7 Mio EUR angegeben. Der Aufenthalt in Abschiebehaft ist für die Betroffenen äußerst belastend und zudem sehr kostenintensiv für den Freistaat: 2015 wurden durchschnittliche Haftvollzugskosten pro Tag und Gefangenem in Höhe von 107, 94 EUR errechnet. Die geplanten rund 200 Plätze für Abschiebehaft in Bayern sind folglich mit einem immensen Kostenaufwand verbundenen. Eine Notwendigkeit der Aufstockung von Haftplätzen erschließt sich erst recht nicht angesichts der Tatsache, dass sich zu den Stichtagen zwischen 2015 und 2016 jeweils lediglich 8 (31.08.2015) und maximal 43 (31.01.2016) Abschiebegefangene in bayerischer Abschiebungshaft befanden.
Nach Vorgaben des Europäischen Gerichtshofes von 2014 ist eine Inhaftierung Geflüchteter allein wegen „Fluchtgefahr“ nicht mehr zulässig, für die Begründung einer Fluchtgefahr müssen klare „objektive gesetzlich festgelegte Kriterien“ vorhanden sein. Die Rechtsgrundlagen in Deutschland erlauben jedoch eine sehr weite Auslegung. Abschiebehaft droht u.a. jenen, die unerlaubt oder über einen sicheren Drittstaat eingereist sind. Da es nur wenig Möglichkeiten für eine legale Einreise Geflüchteter gibt, machen sich nahezu alle Geflüchteten der „unerlaubten Einreise“ schuldig. Etwa die Hälfte der inhaftierten Geflüchteten sind sogenannte Dublin-Fälle. Sie dürfen nur in dem Land der EU Asyl beantragen, wo sie registriert wurden. Sie konnten folglich gar keinen Asylantrag in Deutschland stellen mit dessen Ablehnung eine Abschiebung bzw. Abschiebehaft aufgrund der Verweigerung einer Abschiebung zu rechtfertigen wäre. Ein weiterer Grund für Abschiebehaft ist, wenn Geflüchtete ihre wahre Identität verschleiern oder bei der Beschaffung der Heimreisepapiere nicht mitwirken. Viele Geflüchtete sind nicht im Besitz von Reisedokumenten. Dafür gibt es zahlreiche Gründe, die wenigsten davon rechtfertigen den Verdacht einer mutwilligen Verschleierung der Identität zum Zweck einer geplanten Straftat.
Die meisten Inhaftierungen erfolgen, weil Geflüchtete unter Verdacht stehen, sich der Abschiebung zu entziehen. Beispielsweise befanden sich bis zum 31.5.2017 20 Afghanen in Abschiebehaft, die meisten von ihnen wurden direkt aus einer GU (Gemeinschaftsunterkunft) oder vom Arbeitsplatz abtransportiert.
Präventive Haft dient einzig und allein der Abschreckung, ist für die Betroffenen ein gravierender Eingriff in ihre Grundrechte und darüber hinaus mit enormen Kosten verbunden. Deshalb lehnen wir Abschiebegefängnisse ab.
Begründung zu 5-7
Abschiebungen nach Afghanistan sind nicht akzeptabel. Das ist spätestens seit dem letzten Bombenanschlag unweit der deutschen Botschaft überdeutlich. Bei dem schweren Anschlag im streng gesicherten Diplomatenviertel von Kabul sind mindestens 90 Menschen getötet und 450 verletzt worden. Der letzte Afghanistan-Bericht des hohen Flüchtlingskommissars der Vereinten Nationen stellt fest, dass „das gesamte Staatsgebiet Afghanistans von einem innerstaatlichen bewaffneten Konflikt im Sinne des Art. 15c der EU-Qualifizierungsrichtlinie betroffen“ sei. Die regelmäßigen Terroranschläge, bei denen auch ein kürzlich „zurück geführter“ Flüchtling verletzt wurde, zeigen ganz klar: Afghanistan ist nicht sicher. Die Zahl von in Afghanistan getöteten Menschen stieg 2016 auf einen neuen Höchststand von 11.418 Menschen, darunter 3.512 Kinder. Unbeeindruckt angesichts dieser lebensgefährdenden Verhältnisse wurden bislang nach wie vor Sammelabschiebungen aus der Bundesrepublik Deutschland nach Afghanistan vollzogen. Darunter befanden sich besonders viele afghanische Flüchtlinge aus Bayern. Weitere Abschiebungen sind geplant. Wenn eine Regierung Menschenrechte verletzt, indem sie Schutzsuchende in Krisen- und Kriegsgebiete oder auch „nur“ in Not und Elend zurückschickt, dann müssen Menschen auf anderen Ebenen Verantwortung übernehmen – ganz besonders auch in den Kommunen. Denn die Kommunen stehen in der Pflicht, politische Entscheidungen in letzter Konsequenz auszuführen. Es sind die Menschen vor Ort in den Kommunen, die die zerstörerischen Auswirkungen dieser menschenverachtenden Flüchtlingspolitik auf das Leben geflüchteter Menschen unter uns miterleben und mit ertragen müssen. Die Bayerische Staatsregierung muss sich gegen Abschiebungen nach Afghanistan aussprechen und dadurch den Bayerischen Stadt- und Gemeindeverwaltungen politisch den Rücken stärken, um Grundsätze der Menschenrechte einzuhalten und sich nicht an Abschiebungen in Kriegsgebiete zu beteiligen. Wir fordern vom bayerischen Ministerpräsidenten, sich als Chef der Bayerischen Verwaltungsbehörden gegen diese menschenfeindlichen Abschiebungen zu stellen.
Es liegt im Rahmen seiner Zuständigkeiten als Ministerpräsident, sich in den entsprechenden Gremien und Gesprächen auf Landes- und Bundesebene für einen sofortigen Abschiebestopp nach Afghanistan und für subsidiären Schutzstatus aller afghanischen Geflüchteten in Deutschland einzusetzen. Seiner Verantwortung für alle Menschen in Bayern wird der bayerische Ministerpräsident nur gerecht, wenn er klar Position bezieht, dass der Freistaat Bayern diese inhumane Politik nicht mitträgt.
Begründung zu 8
Gesellschafter der Flughafen München GmbH (FMG) sind der Freistaat Bayern mit 51 Prozent, die Bundesrepublik Deutschland mit 26 Prozent und die Landeshauptstadt München mit 23 Prozent. Als Gesellschafter mit dem größten Anteil und somit auch dem größten Einfluss, wird die Staatsregierung des Freistaates aufgefordert, weitere Abschiebungen nach Afghanistan vom Münchner Flughafen aus zu stoppen!
Ob vom Münchner oder einem anderen deutschen Flughafen aus:
Insbesondere angesichts der angespannten Sicherheitslage lehnen wir Abschiebungen nach Afghanistan grundsätzlich ab!