Veranstaltung: | Landesdelegiertenkonferenz |
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Tagesordnungspunkt: | 8 Anträge |
Antragsteller*in: | Gülseren Demirel (MdL, KV München) |
Status: | Eingereicht |
Eingereicht: | 07.08.2019, 11:03 |
A3: Fluchtwege freimachen und Menschenleben sichern
Antragstext
Menschen auf der Flucht können auf legalen Wegen kaum noch den europäischen
Kontinent und Sicherheit erreichen: Die Europäische Union begrenzt bewusst
massiv den Zugang für Schutzsuchende über “legale Fluchtrouten” auf
Resettlement-Programme oder Humanitarian Admission Programmes. Gleichzeitig
schottet die EU ihre Außengrenzen systematisch und kaum durchlässig ab. Dazu
schreckt sie auch nicht vor der Zusammenarbeit mit Drittstaaten zurück, die
Diktaturen sind oder in denen inhumane Zustände herrschen. Die Folgen sind
dramatisch: Die Schutzsuchenden stecken in Kriegs- und Krisengebieten fest,
verelenden in (Internierungs-) Lagern, geraten in extreme
Abhängigkeitsverhältnisse, ertrinken im Mittelmeer oder verdursten in der Wüste.
Dabei ist das Recht auf Leben, Freiheit und Sicherheit universell und endet
nicht an den Grenzen Europas. Auch unsere Pflicht für diese Menschenrechte
einzustehen endet nicht an der europäischen Außengrenze. Es steht uns nicht zu
in (lebensbedrohlichen) Notsituationen die Fluchtgründe der Schutzsuchenden zu
bewerten. Und erst Recht dürfen wir nicht über den Schutzanspruch der Menschen
an den europäischen Außengrenzen entscheiden. In menschenunwürdigen Lagern wie
Moria auf Lesbos zeigt sich deutlich, dass an den Außengrenzen weder faire und
rechtsstaatliche Asylverfahren möglich, noch eine adäquate Unterbringung und
Versorgung von Schutzsuchenden gewährleistet werden können. Das Hotspots-System
funktioniert nicht und darf daher nicht fortgeführt werden – auch nicht in Form
von „Ausschiffungs- oderAnlandungsplattformen“.
Zu unserer Pflicht gehört auch, dass wir die Staaten an den EU-Außengrenzen
nicht mit der Verantwortung allein lassen. Die Regierungen der Länder mit
Außengrenzen zum Mittelmeer, wie Italien und Malta, die meist Ziel der
Überfahrten sind, reagieren mit der Schließung ihrer Häfen für aus Seenot
gerettete Geflüchtete. Gleichzeitig versuchen sie die zivile Seenotrettung zu
verhindern, indem sie Schiffen die Ausfahrt verwehren. Notwendig ist daher eine
umgehende Verteilung aller Menschen, die Asyl beantragen wollen, auf die
Mitgliedsstaaten der Europäischen Union. Auf die Aufnahme und Verteilung müssen
sich möglichst viele Mitgliedstaaten solidarisch verständigen. Um die Blockade
der Reform des GEAS zu überwinden, müssen aufnahmebereite Staaten auf
freiwilliger Basis vorangehen.
Sichere Fluchtwege schaffen und unbedingter Vorrang der Seenotrettung!
Das Mittelmeer ist bereits zu einem Massengrab für tausende Menschen geworden.
Allein 2018 ertranken auf dem Mittelmeer laut UNHCR mehr als 2.275 Geflüchtete
bei der Überfahrt nach Europa. Damit ist das Mittelmeer die tödlichste Grenze
der Welt. Europa darf nicht länger zulassen, dass Menschen im Mittelmeer
ertrinken und zivile Seenotrettungsschiffe tagelang im Mittelmeer auf die
Einfahrt in einen Hafen warten. Doch auch für Menschen, die bei der Überfahrt
gerettet werden, nimmt die Gefahr für Leib und Leben kein Ende. Seit dem Sommer
2018 spitzt sich die „Ausschiffungskrise“ im zentralen Mittelmeerraum weiter zu,
besonders durch andauernden Widerstand Italiens und Maltas und anderer Staaten
gegen die Rettung und Ausschiffung von Geretteten – sowohl durch NGOs, wie auch
durch Handelsschiffe. Zur Verhinderung der Seenotrettung werden zudem Schiffe
festgesetzt oder gar unter dubiosen Vorwänden beschlagnahmt.
Wir fordern
- Sichere Fluchtwege zu schaffen und eine menschenwürdige Aufnahme von
Schutzsuchenden zu gewährleisten.
- Die Schaffung von Möglichkeiten, bereits im Ausland ein humanitäres Visum
zu erhalten und somit legal nach Detuschland einreisen zu können.
- Jeden Menschen aus Seenot zu retten und gemäß internationalem Recht in
Sicherheit zu bringen. Ein sicherer Hafen, wie ihn das Völkerrecht
vorsieht, kann für im Mittelmeer Gerettete nur in der Europäischen Union
liegen.
- Eine menschenrechtsorientierte staatliche Seenotrettung. Bis diese
einsatzbereit ist, muss die zivile Seenotrettung die uneingeschränkte
Möglichkeit zur unabhängigen Lagebeobachtung bekommen und in
internationalen Gewässern ungehindert Menschenleben retten können. Wir
lehnen den alleinigen Einsatz von der Grenzschutzagentur FRONTEX mit
seiner fragwüdrigen und zum Teil menschrechtswiedrige Einsätze ab (siehe
zuletzt die Berichterstattung dazu und die interne Berichte von FROTEX
selbst).
- Die Garantie für zivile Seenotretter*innen uneingeschränkt Leben retten zu
dürfen. Sie und ihre Arbeit dürfen nicht länger behindert und
kriminalisiert werden. Die humanitäre Hilfe auf dem Mittelmeer muss
innerhalb der Europäischen Union mit einer eigenen, unionsweit
verbindlichen Rechtsgrundlage im Sinne der Erklärung der Vereinten
Nationen zu den Menschenrechtsverteidiger*innen und Artikel 8, Abschnitt
a) des Globalen Pakts für sichere, geordnete und reguläre Migration
geschützt werden.
- Einen festen europäischen Mechanismus zur Aufnahme von Menschen, die aus
Seenot gerettet wurden, um wochenlange Hängepartien zu verhindern.
Aufnahmebereite Mitgliedstaaten müssen aus Seenot gerettete und in EU-
Mittelmeeranrainerstaaten gestrandete Schutzsuchende solidarisch
aufnehmen. Der Europäische Flüchtlingsrat ECRE hat dazu einen praktikablen
Vorschlag ausgearbeitet, der im Rahmen des geltenden Europarechts sofort
umgesetzt werden kann und muss.
Keine Deals mit undemokratischen Regierungen auf Kosten der Menschenrechte
Mit Abkommen, wie z.B. dem EU-Türkei-Deal, wird die Verantwortung Europas
ausgelagert und die Abschottung Europas vorangetrieben. Menschen, die Europa
dennoch erreichen, werden in die Türkei zurückgeführt oder mit Gewalt über die
Landesgrenzen beispielsweise nach Serbien zurückgedrängt. Und selbst auf den
griechischen Inseln ist die Lage in den Unterkünften katastrophal und der Zugang
zu fairen Asylverfahren versperrt.
Die libysche Küstenwache wird von der EU und ihren Mitgliedstaaten immer noch
unterstützt und mit aufgebaut. Seit Beginn der Einsätze in 2017 wurden etwa
29.000 Menschen von Libyens Küstenwache zurück nach Libyen gebracht. Dort kommen
sie in eines von insgesamt 30 Internierungslagern, welche die Regierung
betreibt. Aus diesen Lagern kommen immer wieder schreckliche Bilder und
Beschreibungen größten Leids: Menschen müssen dort mit Gewalt, Vergewaltigung
und Versklavung rechnen. Es gibt keinen Zugang zu sanitären Anlagen und keine
medizinische Versorgung. So schreibt die Unterstützungsmission der Vereinten
Nationen in Libyen (UNSMIL) in einem Bericht, dass Libyen für Geflüchtete ein
Ort „unvorstellbaren Horrors“ sei. Viele der Lager befinden sich zudem in
Gebieten, in denen es ständig Kämpfe zwischen libyschen Milizen gibt – viele
Flüchtlinge sind so zusätzlich im libyschen Kreuzfeuer eingesperrt. Daher dürfen
die katastrophalen humanitären Zustände in Libyen und anderen Staaten nicht
länger ignoriert werden.
Wir forden:
- Kooperationen der EU und deren Mitgliedstaaten mit Drittstaaten müssen
stets nach der Maßgabe der Grund- und Menschenrechte erfolgen.
- Die Unterstützung der libyschen Küstenwache durch die EU muss sofort
beendet werden. Sie ist beschämend für die Europäische Union und das
europäische Projekt. Die völkerrechtswidrigen Rückführungen von
Schutzsuchenden in das Bürgerkriegsland müssen sofort aufhören. Wer
verhindern will, dass sich Schlepper an der Not von Geflüchteten
bereichern, die angesichts von Verfolgung, Krieg und Gewalt ihr Leben bei
der Flucht über das Mittelmeer aufs Spiel setzen, muss sichere und legale
Fluchtalternativen schaffen.
- Massenlager in der EU und europäische Außenlager in Drittstaaten sowie
Abschottungs-Abkommen, mit denen Menschen in Drittstaaten zurückgeschickt
werden, die die Menschenrechte und internationales Recht mit Füßen treten,
müssen sofort ein Ende haben.
- Schutzbedürftige Flüchtlinge aus Libyen sofort nach Europa zu evakuieren
und humanitäre Korridore nach Europa zu öffnen. Die Evakuierungen müssen
sich an den tatsächlichen Bedarfszahlen orientieren – eine Verbringung in
Transitstaaten wie derzeit den Niger lehnen wir ab. Es ist an der Zeit und
dringend geboten, dass Deutschland seine Bemühungen verstärkt, Menschen,
deren Leben unmittelbar bedroht ist, direkt aus der Gefahrenzone zu
retten. Damit wird verhindert, dass noch mehr Flüchtlinge aus Libyen
versuchen aus Verzweiflung in einem überfüllten, kaum schwimmtauglichen
Schlauchboot über das Mittelmeer nach Europa zu fliehen. Dabei darf
Deutschland die Menschen nicht im Niger stranden lassen - einem Land, das
selbst mit 300.000 aufgenommenen geflüchteten Menschen und schwelenden
Konflikten an seine Kapazitätsgrenzen kommt.
Sicherer Hafen – zusätzliche kommunale Aufnahmeplätze schaffen und
Landesaufnahmeprogramm auflegen
Wir begrüßen ausdrücklich die Initiative Seebrücke und solidarisieren uns mit
allen Kommunen, die sich zu sicheren Häfen erklären. Wir unterstützen Kommunen,
die sich freiwillig bereit erklärt haben, zusätzlich zur Verteilungsquote aus
Seenot gerettete Schutzsuchende aufzunehmen, und ermutigen weitere Kommunen sich
dieser Initiative anzuschließen.
Wir fordern:
- Das Resettlement-Programm des Bundes muss erweitert und die Anzahl der
Aufnahmeplätze an den tatsächlichen Bedarf angepasst werden. Das
Resettlement muss dabei ein Schutzinstrument bleiben und darf kein Ersatz
für reguläre Asylverfahren, sondern soll eine Ergänzung zum Schutz
besonders vulnerabler Schutzsuchender sein.
- Das Recht auf Asyl bzw. auf internationalen Schutz von Flüchtlingen, die
über andere Wege als Resettlement in einen Mitgliedstaat der EU gelangen,
darf durch den Neuansiedlungsrahmen nicht angetastet werden.
- Zusätzliche kommunale Aufnahmeplätze im UNHCR-Resettlementprogramm zu
schaffen. Dies kann durch die Aufstockung der Länderkontingents (§ 23 I
AufenthG) erfolgen und/oder durch die Einführung einer neuen
Gesetzesgrundlage (§ 23 X AufenthG) speziell zur Aufnahme durch Kommunen
und entsprechend der Regelung zur Landesaufnahme nach § 23 I AufenthG.
- Kommunen müssen die Möglichkeit bekommen sich dem Bundes-
Resettlementprogramm nach § 23 IV AufenthG über zusätzliche Aufnahmeplätze
anzuschließen.
- Die Staatsregierung auf, sich zum sicheren Hafen zu erklären und dem Bund
zusätzlich zur Quote Plätze für aus Seenot Gerettete anzubieten.
- Die Staatsregierung auf, ein eigenes Landesprogramm aufzulegen. Darüber
hinaus soll sie sie sich im Bundesrat dafür einsetzen, dass Aufnahmen
neben der Bundesprogramme (beispielsweise über nationalstaatliche
humanitäre Aufnahmeprogramme sowie über Aufnahmeprogramme der
Bundesländer, die eine unkomplizierte und kurzfristige Aufnahme von
größeren Kontingenten aus dem Ausland erlauben) auch ohne Zustimmung des
Bundesinnenministeriums aufgelegt werden können.
- Kommunen müssen bei der Flüchtlingsaufnahme finanziell und personell
unterstützt werden. Städte und Kommunen, die sich innerhalb des neuen
Relocationprogramms freiwillig melden, um Schutzsuchende aufzunehmen,
sollen die Kosten für die Integration aus einem gemeinsamen EU-Fonds
(bspw. AMIF) erstattet bekommen. Denn die Kommunen sind ohnehin die Orte,
an denen Inklusion, Teilhabe und Partizipation in erster Linie stattfinden
und sie haben den besten Überblick darüber, was möglich ist.
Begründung
erfolgt mündlich
Unterstützer*innen
- Thomas Gehring (KV Oberallgäu)
- Markus Büchler (KV München-Land)
- Sanne Kurz (KV München-Stadt)
- Hep Monatzeder (KV München-Stadt)
- Andreas Voßeler (KV München-Stadt)
- Astrid Poppenwimmer (KV Garmisch-Partenkirchen)
- Franziska Büchl (KV München-Stadt)
- Stephanie Schuhknecht (KV Augsburg-Stadt)
- Theresa Eberlein (KV Regensburg-Stadt)
- Gabriele Triebel (KV Landsberg-Lech)