Veranstaltung: | Landesdelegiertenkonferenz |
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Tagesordnungspunkt: | 8 Anträge |
Antragsteller*in: | Stefan Schmidt, MdB (KV Regensburg-Stadt) |
Status: | Eingereicht |
Eingereicht: | 20.09.2019, 09:57 |
A28: Kommunale Familienpolitik - Mehr Raum für Eltern und Kinder
Antragstext
Das Bild der Familie hat sich im Lauf der letzten Jahrzehnte verändert. Neben
der klassischen "Kernfamilie", die zwar nach wie vor die Lebensform der meisten
Familien darstellt, haben andere Konstellationen, wie z.B. Patchworkfamilien,
bei der sich Kinder und Eltern aus unterschiedlichen Familienphasen jeweils neu
mischen, zunehmend an Bedeutung gewonnen. Die Alleinerziehendenhaushalte machen
mittlerweile ca. 20% der Familienhaushalte aus. Das unterstreicht: Familien sind
bunt und vielfältig und häufig an zeitliche und räumliche Erfordernisse der
heutigen Arbeitswelt angepasst. Veränderte gesellschaftliche und ökonomische
Rahmenbedingungen stellen familiäre und kommunale Strukturen vor neue
Herausforderungen. Die Gründung einer Familie geht häufig mit verringertem
finanziellen Spielraum, Schwierigkeiten und Engpässen bei der Kinderbetreuung,
sowie beruflichen Einschnitten einher. Im Bereich der Stadtplanung, der
Vermietung von Wohnungen sowie im ÖPNV, werden Familien mit Kindern noch zu
selten mitbedacht, zum Teil sogar benachteiligt. Die von Arbeitgebern zunehmend
geforderte Flexibilität und Mobilität ist für ArbeitnehmerInnen mit Kindern
deutlich schwerer zu erfüllen, als für Kinderlose. Die Vereinbarkeit von Familie
und Beruf wird meist noch immer ausschließlich als Frauenthema begriffen. Eine
wirkliche Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist erst erreicht, wenn den
Männern wie den Frauen eine Erwerbstätigkeit möglich ist, mit der sie ihren
beruflichen wie ihren familialen Verpflichtungen nachkommen können.
Aufgabenstellung der Kommunen muss es daher sein, möglichst ganzheitlich und
leicht zugängliche Unterstützungsmöglichkeiten für Familien zu schaffen.
Eine moderne kommunale Familienpolitik muss Angebote für verschiedene
Lebensentwürfe- und -situationen bereithalten, gerecht sein und Teilhabe für
alle ermöglichen. Die Ansatzpunkte und Lösungen sind dabei so differenziert und
vielfältig, wie die Lebensentwürfe und die Familien selbst.
Wir Grüne wollen, dass die Kommunen in Bayern Kinder und Familien in das Zentrum
ihres politischen und planerischen Handelns rücken und diese in ihrem
Wirkungskreis gezielt unterstützen. Denn eine familienfreundliche Kommune ist
auch eine lebenswerte Kommune mit funktionierender Infrastruktur, reichem
Sozialleben und Weitblick für künftige Herausforderungen. Die
Entwicklungspotentiale von Kommunen sind mit familienfreundlichen
Lebensumständen verzahnt und im besten Eigeninteresse der Kommunen.
Nicht für, sondern mit Familien planen
Wir Grüne wollen Familien in besonderem Maße fördern. Durch eine bürgernahe
Politik begegnen wir den Herausforderungen des demographischen Wandels, der
Strukturschwäche oder den Problemen von Ballungsräumen wie Wohnungsknappheit und
hohen Lebenshaltungskosten. Familienpolitik in Kommunen soll Strukturen
schaffen, die Menschen dazu ermutigen, Familien zu gründen sowie ein
integriertes und umfassendes Maßnahmenpaket für alle Familienbelange etablieren,
um Familien mit ihren Kindern in den verschiedenen Lebenslagen unterstützend zu
begleiten. Im Zentrum sollten hierbei die Familien vor Ort stehen, die bereits
in den Kommunen leben und nicht das Buhlen um Familien anderer Kommunen.
Familiale Infrastruktur schaffen
Jede Kommune braucht ein zeitlich flexibles und qualitativ überzeugendes Kita-
und Kindergartenangebot. Deswegen ist es unser Anliegen, die Kinderbetreuung
wohnortnah auszubauen, qualitativ zu verbessern und Flexibilität zu
gewährleisten. Dabei sollte vor allem die Betreuung der unter dreijährigen
Kinder im Fokus stehen. Die Betreuungsquote ist in Bayern im Vergleich zu
anderen Bundesländern noch immer eher niedrig. Ein engagierter Ausbau mit
staatlicher Unterstützung der Kommunen ist daher geboten. Die Qualität der
Betreuung hängt maßgeblich vom Personal ab, daher fordern wir die Kommunen auf,
ausreichend und qualifiziertes Personal gemäß einem ambitionierten
Betreuungsschlüssel für die Einrichtungen zu generieren. Schlüssel hierfür ist
neben gesellschaftlicher Anerkennung eine ordentliche Bezahlung. Wir möchten
Familien die Möglichkeit geben, neben den klassischen Kita-Öffnungszeiten auch
Betreuungsangebote von qualifizierten Babysittern oder anderen
Betreuungsangeboten in Form von Abend-, Nacht- und Wochenendbetreuung
wahrzunehmen. Die Kommune soll hier unterstützend in der Vermittlung tätig
werden.
Darüber hinaus wollen wir neben dem Angebot der Ganztagsschulen ein
flächendeckendes und attraktives Angebot der Nachmittagsbetreuung für
Schulkinder. Wir Grüne setzen uns dafür ein, dass dabei gesellschaftliche
Netzwerke zur Betreuung und Unterstützung als ergänzendes Angebot zu den
Ganztagesleistungen von den Kommunen, z.B. durch Bereitstellung von
Räumlichkeiten, gefördert werden. Davon profitieren sowohl Eltern, da sie
Familie und Beruf besser unter einen Hut bringen können, als auch die Kinder,
durch einen besseren Zugang zu einem umfassenden und vielfältigen
Bildungsangebot. Natürlich muss hier die Kommune als Arbeitgeberin mit gutem
Vorbild voran gehen. Ziel muss sein, dass Eltern nicht auf das passende Angebot
hoffen müssen, sondern eine Wahlmöglichkeit haben.
Eine weitere Erleichterung im Berufsalltag von Familien stellt die Schaffung von
"Co-Working-Spaces" in Kombination mit Kinderbetreuungsmöglichkeiten dar. Sie
bieten den Eltern die Option in der Nähe des (noch kleinen) Kindes zu arbeiten,
und gleichzeitig dem Beruf nachzugehen. Dafür braucht es Räumlichkeiten, aber
auch den Dialog mit den Unternehmen vor Ort, um diese auf die Thematik
aufmerksam zu machen und ggf. zu sensibilisieren.
Familien werden immer wieder mit Situationen konfrontiert, in denen Hilfe von
außen einen unschätzbaren Wert hat, vor allem für sozial schwächere oder neu
zugezogene Familien. Unser Ziel ist es, hier steuernd einzugreifen und Angebot
und Nachfrage zusammen zu bringen, beispielsweise im Rahmen von
Familienpatenschaften: Engagierte Bürger*innen können sich bei Stadt oder
Gemeinde in Hilfslisten eintragen lassen, wobei sie selbst den Rahmen ihrer
Hilfeleistung bestimmen können – sei diese ganz praktischer Natur wie
Besorgungen machen, oder finanzieller Natur, beispielsweise das Sponsoring einer
Teilnahme am städtischen Ferienprogramm. Ebenso verhält es sich mit der
Freiwilligenarbeit und Nachbarschaftshilfe. Wir möchten dieses Angebot durch die
Finanzierung der Weiterbildung der Freiwilligen verbessern, aber auch qualitativ
steuern, indem beispielsweise kleinere Schulungen durch örtliche Fachkräfte
(SozialarbeiterInnen, ErzieherInnen, etc.) organisiert werden.
Vier von zehn Alleinerziehenden mit kleinen Kindern sind in unserem Land arm.
Dabei arbeiten alleinerziehende Frauen im Schnitt sogar fünf Stunden mehr als
Frauen in Paarfamilien. Deswegen dürfen vor allem Alleinerziehende nicht alleine
gelassen werden. Aus diesem Grund werden wir GRÜNE dafür sorgen, dass die
Leistungen Alleinerziehender anerkannt werden und die Bekämpfung von Kinderarmut
vorangetrieben wird: Wir machen uns stark für Familien – egal in welcher Form.
Für Investitionen in gute und wohnortnahe Kitas und Schulen, für die
Verbesserung der Vereinbarkeit von Familie und Beruf, Angebote zu Inklusion und
Integration und die Einführung einer Kindergrundsicherung.
Schaffung familienfreundlicher und -gerechter Wohn- und Lebensräume
Familiengerechtes Wohnen braucht Sicherheit und Entfaltungsmöglichkeiten im
Wohnumfeld, aber auch nahe Versorgungseinrichtungen. Das unbeaufsichtige Spielen
der Kinder im häuslichen Umfeld, wie Garten oder Nachbarschaft, stellt für
Eltern meist eine Entlastung und eine wichtige Entwicklungsmöglichkeit der
Kinder dar. Eine große Rolle spielen kind- und altersgerechte Freizeitangebote
wie Krabbelgruppen, Sportvereine, Musikschulen, Theatergruppen, Kunstschulen und
Ähnliches.
Auch ein verbesserter ÖPNV, kann Eltern im Alltag ungemein entlasten. So können
z.B. die sog. Fahrten der "Eltern-Taxis" verringert werden. Deshalb werden wir
dafür sorgen, dass ein entsprechend familienfreundliches Angebot der
öffentlichen Verkehrsmittel, bis hin zu gut ausgebauten und sicheren
Fahrradwegen, z.B. in Form von ticketfreien ÖPNV für Eltern oder Großeltern mit
Kinderwagen und in Begleitung von Kleinkinder/n, ins Leben gerufen wird.
Wir wollen, dass die Kommunen durch die Ausweisung von verkehrsberuhigenden
Maßnahmen, Investitionen in moderne und sichere Spielplätze und mehr
Aufenthaltsqualität im öffentlichen Raum die Familien aktiv unterstützen.
Bisher werden Wohnsituationen von Familien häufig in Form finanzieller
Geschenke, wie dem „Baukindergeld Plus“ oder einer „ProKind-Zulage“, bedacht.
Oft wird das in Kommunen mit der Ausweisung eines neuen Baugebiets kombiniert.
Was auf den ersten Blick wie eine Wohltat für Familien aussieht, entpuppt sich
bei genaueren Hinsehen als nicht nachhaltige Investition der öffentlichen Hand.
Für Familien in Ballungsräumen ist die staatliche Subvention anhand der zu
bezahlenden Preise marginal und für Familien in ländlichen Regionen ebenfalls
keine nennenswerte Unterstützung. Einen substantiellen Beitrag zur Schaffung von
mehr Wohneigentum stellen diese Maßnahmen aus unserer Sicht nicht dar.
Wir Grüne erachten die Schaffung eines lebenswerten Umfelds als wichtiges Ziel.
Faktoren wie kurze Wege zu Gegenständen des täglichen Bedarfs samt verlässlicher
Mobilitätsangebote sowie eine sozial durchmischte Nachbarschaft mit
unterschiedlichen Generationen machen ein Wohnquartier attraktiv. Darauf
aufbauend wollen wir daher auf neue Modelle setzen, wie z.B. dem Verkauf von
Immobilien mit Nießbrauchrecht, um Familien im Ort zu halten und einem Ausbluten
der Ortskerne entgegenzuwirken.
Kommunale Verwaltung
Familienpolitik soll als übergreifende Querschnittspolitik in den Städten und
Gemeinden etabliert und institutionalisiert werden. Kommunen dürfen Kinder und
Familien nicht nur als Querschnittsthema entlang verschiedener Ressorts und
deren fachspezifischer Blickwinkel begreifen, sondern ganzheitlich betrachten.
Wir Grüne setzen uns für die Erarbeitung eines familienpolitischen Leitbilds
ein. So können jegliche politische Entscheidungen auf ihre Familientauglichkeit
in der Kommune überprüft und mitgestaltet werden. Wir sind überzeugt, dass eine
zentrale Anlaufstelle (z.B. das Landratsamt) der Schlüssel für eine
zielgerichtete Familienpolitik ist, daher wollen wir ein kommunales Management
für Familien in der Verwaltungsebene zusammen mit einer familienpolitischen
Gesamtstrategie etablieren, um die Förderung kinder- und familienfreundlicher
Strukturen entwicklungsorientiert in die kommunale Regelpraxis zu integrieren.
Dazu gehört auch ein regelmäßiges Monitoring, in welchem Informationen zu den
Familien und deren Problemlagen in der Form einer dauerhaften
Familienberichterstattung erfasst werden.
Weiter finden wir die Einrichtung eines regelmäßigen zusammentretenden
Familienausschusses mit Vertretern relevanter Ämter und Stellen essentiell,
damit Politik das Thema Familie nicht aus den Augen verliert.
Um den Alltag von berufstätigen Eltern zu erleichtern, müssen die Öffnungszeiten
der kommunalen Institutionen familienfreundlich sein. Wir wollen monatliche bis
wöchentliche Sonderöffnungszeiten in den kommunalen Verwaltungen etablieren, die
speziell auf Familien zugeschnitten sind. Grundsätzlich sollten die
Öffnungszeiten von Behörden und Ämtern, Kultureinrichtungen wie Museen,
Bibliotheken usw., Sportangeboten, Einkaufsmöglichkeiten sowie medizinischen
Einrichtungen noch stärker die Alltagsrealität von Familien widerspiegeln.
Freiwillige kommunale Angebote
Bürgerinnen und Bürger sollen sich mit ihrer Kommune identifizieren und
wohlfühlen. Um diesem Anspruch gerecht zu werden, bedarf es neben Strukturen und
Anpassungen für den familialen Lebensalltag auch ein entsprechendes
Freizeitangebot. Dies können z.B. familiengerechte Gebühren oder Vergünstigungen
in Form eines Familienpasses sein, der als Ermäßigung bei öffentlichen
Einrichtungen und Angeboten, wie der Stadtbibliothek, Schwimmbäder,
Veranstaltungen, ÖPNV oder VHS Kursen für Familien und Kindern dient. Unser Ziel
ist es Begegnungsstätten zu schaffen, von modernen und sicheren Spielplätzen bis
zu barrierefreien Mehrgenerationenhäusern.
Vor allem Jugendlichen müssen Rückzugsräume zur freien Entfaltung bereitgestellt
werden. Wir Grüne stehen für eine lebendige Jugendkultur, deswegen setzen wir
uns für die Einrichtung/ Erhalt von Jugendfreizeitheimen oder anderen
selbstverwaltende Formen ein.
Aber auch die Ferienbetreuung ist ein wichtiger Punkt. Kommunen und Vereine
erstellen bereits oftmals ein Ferienprogramm. Wir wollen, dass die
unterschiedlichen Angebote gebündelt werden und möglichst allen Familien
offenstehen.
Eine wichtige Voraussetzung für erfolgreiche Projekte der Familienstärkung ist
die Bildung lokaler Kompetenznetzwerke, welche eine Kooperation zwischen Eltern
sowie der Bürgergemeinschaft, also engagierten Einzelpersonen, Teams,
Kindertagesstätten, Schulen, Jugend- und Gesundheitsämtern oder Sportvereinen,
ermöglicht.
Begründung
erfolgt mündlich
Unterstützer*innen
- Manuela Rottmann, MdB (KV Bad Kissingen)
- Beate Walter-Rosenheimer, MdB (KV Fürstenfeldbruck)
- Tina Winklmann (KV Schwandorf)
- Gisela Helgath (KV Weiden)
- Heidrun Schelzke-Deubzer (KV Tirschenreuth)
- Eva Borke-Thoma (KV Neumarkt)
Änderungsanträge
- Globalalternative: Ä6 (Stefan Schmidt MdB (KV Regensburg-Stadt), Jürgen Mistol MdL (KV Regensburg-Stadt), Johannes Becher MdL (KV Freising), Eingereicht)
- Ä1 (Helene Sigloch (KV Regensburg-Stadt), Zurückgezogen)
- Ä2 (Jürgen Mistol MdL (KV Regensburg-Stadt), Sigi Hagl (KV Landshut-Stadt), Zurückgezogen)
- Ä3 (Jürgen Mistol MdL (KV Regensburg-Stadt), Sigi Hagl (KV Landshut-Stadt), Zurückgezogen)
- Ä4 (Jürgen Mistol MdL (KV Regensburg-Stadt), Sigi Hagl (KV Landshut-Stadt), Zurückgezogen)
- Ä5 (Jürgen Mistol MdL (KV Regensburg-Stadt), Sigi Hagl (KV Landshut-Stadt), Zurückgezogen)