Veranstaltung: | Landesdelegiertenkonferenz |
---|---|
Tagesordnungspunkt: | 8 Anträge |
Antragsteller*in: | Uwe Kekeritz, MdB (KV Neustadt/Aisch-Bad Windsheim) |
Status: | Eingereicht |
Eingereicht: | 20.09.2019, 09:37 |
A27: EU-Mercosur-Abkommen stoppen – Fairhandel geht vor Freihandel!
Antragstext
Bündnis 90/ Die GRÜNEN in Bayern lehnen das aktuelle Freihandelsabkommen mit den
Staaten Argentinien, Brasilien, Paraguay und Uruguay (Mercosur) ab. Wir brauchen
eine Umkehr im Denken: fairer Handel muss zentraler Bestandteil internationaler
Handelsabkommen werden. Der sozial-ökologisch Anspruch muss gerade heute in
internationalen Verträgen im Fokus stehen. Menschenrechte und Klimaziele lassen
keinen Verhandlungsspielraum zu.
Mitte September hat das österreichische Parlament gegen das geplante
Freihandelsabkommen zwischen der EU und den südamerikanischen Mercosur-Staaten
gestimmt, andere Mitgliedsländer drohen mit einem Veto. Bäuerinnen und Bauern
demonstrieren dagegen, nur die Bundesregierung hält an dem Abkommen fest.
Ziel eines Freihandelsabkommen ist die Senkung von Handelsschranken zu Gunsten
eines freien Warenaustausches. Verbindliche Umwelt- und Sozialstandards sucht
man in diesen Abkommen allerdings oftmals vergebens. Wir GRÜNE wollen jedoch
ökologische, soziale und menschenrechtliche Standards erhalten und in
internationalen Verträgen Geltung verschaffen. Es geht um gerechte
Handelsbeziehungen. Das Primat muss der faire Handel sein und nicht der freie
Handel. Es darf Europa nicht egal sein, wie Export, Wachstum und Konsum anderswo
zu Armut, Raubbau an der Natur und Zukunftslosigkeit beiträgt.
In dem nun vorliegenden EU-Mercosur-Abkommen - dem größten Freihandelsabkommen,
das die EU jemals ausgehandelt hat - werden aber keine verbindlichen
Vereinbarungen zu Klima- und Umweltschutz, keine belastbaren Aussagen zu den
Pariser Klimazielen und auch keine verpflichtende Aussagen zu Arbeits- und
Sozialstandards getroffen. Auch für den Schutz der Indigenen werden keine
bindenden Vereinbarungen festgeschrieben. Gut gemeinte Bekenntnisse im
Nachhaltigkeitskapitel bleiben ohne weitere Ausführungen, Bestimmungen oder
Sanktionen im Falle ihrer Missachtung wirkungslos. Wir machen eine Rolle
rückwärts, wenn wir Freihandelsverträge abschließen, die nicht einmal die
Mindeststandards erfüllen.
Wir sollen Gen-Soja und Rindfleisch aus fragwürdigem Anbau importieren, um dafür
Autos und Maschinen exportieren zu können. Letztlich zahlen sowohl die
europäischen Landwirte wie auch südamerikanische Kleinbauern den Preis. Nur die
industrielle Agrarproduktion wird sich in solch einem Wettbewerb behaupten
können. Dieser Vertrag würde eine bitter notwendige deutsche und europäische
Agrarwende kaum noch möglich machen. Dazu ignorieren wir die zahlreichen
sozialen und ökologischen Ziele, für die wir in Europa hart ringen und die für
den Erhalt unseres Planeten unverzichtbar sind! Es ist zynisch, das Pariser
Klimaabkommen und die Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen zu
unterschreiben und gleichzeitig auf Handelsabkommen wie das zu Mercosur zu
setzen, welche den Raubbau an der Natur billigend in Kauf nehmen.
Brauchen wir noch mehr Gen-Soja, mehr Hühner- und Rindfleisch oder Billig-
Zucker, mehr Ethanol-Kraftstoff aus Zuckerrohr? Warum sollen wir Milch und Käse
aus Europa gegen Milch und Käse aus Südamerika tauschen? Wollen wir zusätzliche
Anreize für eine Agrarindustrie, die Raubbau an Umwelt und Ressourcen betreibt?
Sowohl in Argentinien wie auch in Paraguay und Brasilien wird durch das
Handelsabkommen die agrarindustrielle Umwandlung der für die Menschheit
überlebenswichtigen Regen- und Trockenwälder nachdrücklich forciert. Die dortige
Agrarindustrie überzieht im ganzen südamerikanischen Raum gewaltige Flächen mit
Monokulturen. Das macht den massiven Einsatz von Pestiziden in der sechs- bis
zehnfachen Menge im Vergleich zu Europa notwendig. Umwelt und Menschen vor Ort
leiden darunter extrem. Hinzukommt, dass viele dieser Pestizide in Europa
verboten sind, aber durch den Import wieder vermehrt auf unserem Teller landen
würden.
Zudem darf die EU nicht die Politik eines Rechtsextremisten wie Jair Bolsonaro
in Brasilien mit solch einem Abkommen unterstützen. Ein Präsident, der die
Aneignung von Flächen für die Agrarindustrie zum obersten Ziel erklärt hat.
Riesige Waldflächen werden aktuell legal und illegal gerodet. Und die indigenen
Einwohner*innen Brasiliens Stück für Stück entrechtet. Wir Europäer*innen dürfen
keine politischen Systeme stärken, in denen homophobes und rassistisches
Verhalten verherrlicht und eine öko-vandalistische Politik begünstigt wird, die
zugleich das lokale gesellschaftliche Klima und das Weltklima bedroht.
Die Europäische Landwirtschaft steht trotz Subventionen unter enormem Druck, da
sie exportorientiert und an Weltmarktpreisen ausgerichtet ist. Das EU-Mercosur-
Abkommen setzt besonders den europäischen Rindfleischmarkt unter Druck und das
wirkt sich auch auf Bayern aus. Wir GRÜNE in Bayern sind ständig bemüht,
flächenangepasste Weidehaltung in Bayern zu fördern und auszubauen, denn sie
gilt als nachhaltigste Form der Nutztierhaltung, mit einer sehr positiven
Wirkung auf Klimaschutz und die Artenvielfalt. Durch das EU-Mercosur-Abkommen
könnte diese Form der Weidehaltung komplett unrentabel werden und über kurz oder
lang verschwinden.
Wir GRÜNE stehen für fairen Handel und sehen ökologisch-soziale Standards nicht
als Handelshemmnisse. Wir sollten bei internationalen Handelsabkommen Vorgaben
und Regeln der regionalen Ernährungssysteme ernst nehmen, wobei das „Recht auf
Nahrung und Wasser“ dabei maßgeblich ist. Nahrungsmittel sind Güter von
besonderem Wert: Eine Bevölkerung kann im Zweifel auf Autos verzichten, aber
nicht auf Nahrungsmittel oder eine intakte Umwelt. Die Folgen der
südamerikanischen Landwirtschaft müssen uns daher auch vor dem Recht auf Leben
und Nahrung interessieren. Wenn Menschen durch agrarindustrielle Anlagen die
Lebensgrundlagen wie der Zugang zu Wasser oder eine giftfreie Umgebung genommen
werden, wenn indigene Bevölkerungsteile entrechtet werden oder massive
Umweltzerstörung betrieben wird, dann sind das Folgen, die Europa nicht
hinnehmen kann. Ein Handelsabkommen, das verkürzt Autos gegen Gen-Soja und
Rindfleisch tauscht, muss die Folgen dieser Geschäfte für Umwelt und Klima sowie
für die Bevölkerung in der Partnerregion berücksichtigen. Das ist bei diesem
Abkommen aktuell nicht der Fall. Wir wollen die notwendige Transformation für
eine klimagerechte Zukunft nicht durch den globalen Wettbewerb um niedrige
Standards untergraben lassen sondern den Raubbau an der Natur weltweit beenden.
Bündnis 90/ Die GRÜNEN in Bayern lehnen das EU-Mercosur-Abkommen aus den oben
genannten Gründen ab und fordern die Bayerische Staatsregierung auf im Bundesrat
gegen eine Ratifizierung des EU-Mercosur-Abkommen zu stimmen.
Begründung
In Brasilien werden aktuell pro Minute etwa drei Hektar Fläche gerodet. Allein im Juni 2019 wurden 920 Quadratkilometer Regenwald abgeholzt und damit doppelt so viel wie im Juni 2018. Die Werte der brasilianischen Raufahrtbehörde (Inpe) für Juli sind noch alarmierender, sie geben eine Steigerung von 278 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum an (https://www.sueddeutsche.de/politik/brasilien-bolsonaro-amazonas-1.4550598, Stand 16. Aug 2019). Meist war bisher von illegalen Bandrodungen die Rede (https://www.spiegel.de/wissenschaft/natur/brasilien-abholzung-des-regenwalds-erreicht-hoechsten-stand-seit-10-jahren-a-1240226.html, Stand 16. Aug 2019). Doch aktuell legalisiert der brasilianische Präsident Jair Bolsonaro persönlich das kriminelle Vorgehen. Und feuert eher den Vorsitzenden der Raumfahrtbehörde, als auf die Zahlen mit politisch klugen Ideen zu reagieren (https://www.spiegel.de/wissenschaft/natur/brasilien-abholzung-des-regenwalds-erreicht-hoechsten-stand-seit-10-jahren-a-1240226.html, Stand 16. Aug 2019).
Seit Amtsantritt hat Bolsonaro den Hunger der Agrarindustrie nach Landfläche mit allen Mitteln bedient. Die Lobby der agrarindustriellen Landwirtschaft ist extrem mächtig in Brasilien und gehört neben den Militärs und den Evangelikalen zu den stärksten Unterstützern Bolsonaros. Sie ist die treibende Kraft bei Waldrodungen mittels gefälschter Flächeninbesitznahme. Auf riesigen Plantagen über tausende Quadratkilometer bauen Großgrundbesitzer Gen-Soja, Mais, Eukalyptus und Gen-Baumwolle an. Dafür wird aktuell der Cerrado, ein Trockenwald, der sich vom mittleren bis in den Nord-Osten Brasiliens zieht, systematisch erschlossen. Die Regenwälder im Amazonasgebiet geraten auch wieder zunehmend unter Druck. Mit der Waldvernichtung werden die dort seit langem Wohnenden und indigenen Einwohner mit Scheinbesitzurkunden vertrieben. Wasserkreisläufe werden zerstört, kostbare Naturräume und Artenvielfalt massiv vernichtet. Doch das Gen-Soja wird nicht nur exportiert, es wird auch mehr und mehr vor Ort „veredelt“. Die Fleischindustrie zählt allein in Mato Grosso, ein Bundesstaat im Cerrado und etwa 2,5 so groß wie Deutschland, aktuell mehr als 21 Millionen Rinder – bei circa 3,5 Millionen Einwohnern.
Die Folgen für Menschen, Umwelt und Klima spielen für Brasiliens Präsidenten keine Rolle. Wichtig ist nur, das wachsende Geschäft mit Agrargütern wie Gen-Soja, Rindfleisch und Co. Umweltstandards existieren in Brasilien durchaus, doch kontrolliert wird kaum. Seit dem Amtsantritt Bolsonaros wurden zudem viele Umweltstandards ausgesetzt. Laut der brasilianischen Gesellschaft für Agrarökologie sind knapp die Hälfte der 50 hauptsächlich in Brasilien eingesetzten Pestizide in den USA, Kanada oder Europa verboten. Fehlende Tierschutzstandards, die ungenügende Kontrolle der Umweltgesetze bzw. der völlige Freibrief, den Bolsonaro der ungebremsten Agrarproduktion einräumt, zeigen, dass die Behauptung der EU Kommission, Brasilien und Südamerika könnten oder wollten nach europäischem Standard liefern, letztlich blauäugig und naiv ist oder schlicht keine Rolle spielt, wenn es um die eigenen Exporte von Autos geht.
Insgesamt zeigt der brasilianische Präsident keinerlei Willen, bisher in Brasilien erreichtes Recht und Gesetz einzuhalten. So ignoriert Bolsonaro die Rechte der indigenen Bevölkerung nicht nur völlig was die Reservate und Schutzrechte angeht. Bolsonaro ruft öffentlich auf diese zu ignorieren, weil die indigenen Völker bereits zu viele Privilegien genössen. Und meint damit vor allem die ausgewiesenen Reservate. Circa 13 Prozent bislang meist unerschlossener Urwälder wurden den indigenen Völkern vom brasilianischen Staat zugesprochen. Bolsonaro ist das jedoch ein Dorn im Auge. Er will „In-Wert-Setzung“ um jeden Preis. Mit aggressiven Parolen heizt er die Stimmung gegen indigene Einwohner an. Goldgräber, Bauern und Holzarbeiter nutzen den Aufruf des Präsidenten um - legal oder illegal – das Land in Besitz zu nehmen und seine Ressourcen auf Kosten der indigenen, von Umwelt und Natur auszubeuten. Dabei werden lebensnotwendige Ressourcen der indigenen Einwohner vor Ort vernichtet und im weiteren Umland auch vergiftet. Dies halten wir für ein systematisches Vergehen gegen die Rechte der indigenen Bevölkerung.
Noch im Wahlkampf 2017 warnte die Wochenzeitung „Die Zeit“ vor einem möglichen Präsidenten Jair Bolsonaro: Er sei „ein Mann der äußersten Rechten, der mit übertriebenen polemischen Aussagen gerne die Rolle eines Politikclowns à la Donald Trump spiele. Rassismus, Homophobie, Sympathien für die Militärdiktatur und Folterknechte, offen vorgetragenes faschistisches Gedankengut: Bei Bolsonaro ist alles zu finden.“ (https://www.zeit.de/politik/ausland/2017-07/brasilien-lula-da-silva-jair-bolsonaro-petrobras-sergio-moro/seite-3, Stand 16. Aug 2019) Heute muss man feststellen, dass dieser Mann eine gefährliche Bedrohung darstellt: in Brasilien für Schwule und Lesben ebenso wie für indigene Völker. Weltweit für Klima und Umwelt. Für Bolsonaro zählt ausschließlich Profit. Diplomatische Verwerfungen sind ihm dabei egal, ähnlich wie Trump.
Allein aus diesen Gründen ist das Freihandelsabkommen in der Form abzulehnen.
Unterstützer*innen
- Christian Zwanziger, MdL (KV Erlangen)
- Florian Siekmann, MdL (KV München)
- Gisela Sengl, MdL (KV Traunstein)