Veranstaltung: | Landesdelegiertenkonferenz |
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Tagesordnungspunkt: | 8 Anträge |
Antragsteller*in: | Tessa Ganserer (KV Nürnberg-Stadt) |
Status: | Eingereicht |
Eingereicht: | 16.09.2019, 15:44 |
A9: Sichere Unterkünfte für queere Geflüchtete
Antragstext
Ungeachtet der am 17. Juni 2011 vom Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen in
Genf verabschiedeten Resolution 17/19 über „Menschenrechte, sexuelle
Orientierung und Geschlechteridentität“ ist Homosexualität in vielen Ländern
noch verboten. Auch wenn nach jahrzehntelangem Engagement der Lesben- und
Schwulenbewegung in vielen Ländern in Sachen rechtlicher Gleichstellung von
gleichgeschlechtlichen Lebensweisen große Erfolge erzielt werden konnten, werden
Schwule und Lesben in vielen Ländern dieser Erde gesellschaftlich stigmatisiert.
Die Vertragsstaaten und somit auch Deutschland haben sich dazu verpflichtet, die
Menschenrechte von LSBTIQ* zu achten, zu schützen und zu gewährleisten. Viele
Menschen, die aus ihrer Heimat, vor der Gesellschaft und der Polizei, aber oft
auch vor ihren Freund*innen und Familien fliehen, weil sie lesbisch, schwul,
bisexuell, inter- oder trans* Personen sind, kommen daher in der Hoffnung auf
ein sicheres Leben nach Deutschland. Queere Geflüchtete brauchen deshalb unsere
volle Unterstützung.
AnkER-Einrichtungen und andere Gemeinschaftsunterkünften sind jedoch keine
sicheren Orte. Hier treffen diese Personen fast immer auf homo- und trans*phobe
Menschen, deretwegen sie einst aus ihrer Heimat geflohen sind. Sie verstecken
sich, versuchen ihre Persönlichkeit zu verheimlichen, um psychischer und
physischer Gewalt zu entgehen. Oft ist dieses Versteckspiel aber hinderlich im
Asylprozess, wie Jusrist*innen bestätigen: wer versteckt lebt, kann das auch in
seiner Heimat tun – so argumentieren BAMF-Entscheider*innen und Richter*innen
mitunter. Damit ist die sexuelle Orientierung oder Identität eine Zwickmühle für
queere Geflüchtete: wer sich outet, riskiert als ohnehin meist schwer
traumatisierter Mensch weitere Repressalien, Drohungen, Mobbing und Gewalt zu
erfahren. Wer sich versteckt, riskiert eine Ablehnung des Asylantrags.
Dieser Umstand ist für uns als menschenrechtspolitische Partei nicht tragbar.
Wir kämpfen auf vielen politischen Ebenen gegen Regierungen, die die besondere
Schutzbedürftigkeit queerer Geflüchteter ignorieren, obwohl diese in den EU-
Asyl-Richtlinien explizit genannt ist.
Aktuell können in Fällen von psychischer und physischer Gewalt nur
Einzelfallentscheidungen getroffen werden, und in der Regel nicht präventiv. Die
Umverteilung erfolgt in andere Gemeinschaftsunterkünfte, wo das „Spiel“
potentiell von vorne beginnt.
Dieser Umstand macht es diesen Menschen nicht möglich, zur Ruhe zu kommen, zu
schlafen, sich mit der Bewältigung des Erlebten auseinander zu setzen, und sich
auf ihr Asylverfahren zu konzentrieren. Dieser Umstand macht es, je nach
Örtlichkeit, unmöglich, wichtige Kontakte zu queeren Beratungsstellen zu knüpfen
und zu halten, sich mit anderen Queers auszutauschen und für die Integration
wichtige Freundschaften zu bilden.
Wir fordern daher:
- In allen sieben bayerischen Regierungsbezirken müssen in den jeweils
größten Städten mit der mutmaßlich besten LGBTIQ*-Infrastruktur zentrale
und/oder dezentrale Unterbringungsmöglichkeiten geschaffen werden für
queere Geflüchtete. Diese müssen in ausreichender Zahl eingerichtet
werden, bei Bedarf aufgestockt und ausschließlich queeren Geflüchteten
vorbehalten bleiben, um eine sofortige Umverteilung aus
Gemeinschaftsunterkünften so schnell wie möglich zu gewährleisten, wenn
Bedarf besteht.
- In Beratungsbüros des BAMF und der Einrichtungen muss deutlich sichtbar
und mehrsprachig als Aushang, aber auch im Gespräch darauf hingewiesen
werden, dass sich Geflüchtete gegenüber ihren Berater*innen und den
Behörden in Bayern nicht verstecken müssen und ihre sexuelle Orientierung
oder Identität als Fluchtgrund ohne Bedenken äußern können, dass diese
Information früh bekannt sein muss, um den Asylprozess nicht zu gefährden
und dass diese Informationen streng vertraulich behandelt werden und nur
mit dem Einverständnis und im Sinne der betreffenden Personen
weitergeleitet werden.
- Queere Geflüchtete, die sich gegenüber Berater*innen oder dem BAMF als
solche zu erkennen geben, müssen umgehend über die Möglichkeit einer
Umverteilung informiert werden, bzw. in die oben genannten Einrichtungen
proaktiv umverteilt werden.
- Die Einrichtungen sollen kooperativ mit queeren zivilgesellschaftlichen
Einrichtungen betrieben werden, beziehungsweise eine Zusammenarbeit mit
diesen grundsätzlich ermöglichen. Die Einrichtungen sollen grundsätzlich
Zugang zu psychosozialer Beratung ermöglichen und die Untergebrachten
ermutigen, diese anzunehmen.
- Die Bezirksregierungen werden über Belegung und Auslastung der
Einrichtungen informiert und leiten diese Daten ihrerseits an das
Bayerische Innenministerium weiter.
Begründung
Wir sehen diese Maßnahmen als unabdinglich für einen fairen Asylbewerbungsprozess, die Stabilisierung der Gesundheit der betreffenden Personen und als Basis für eine gelingende Integration.
Kommunen können hier nur proaktiv mit gutem Beispiel voran gehen. Wir betrachten es als vorrangig, Menschen zu helfen. Wir brauchen Kommunen und Bezirke, die mit gutem Beispiel voran gehen, die den von der Bayerischen Regierung ignorierten Bedarf, die missachtete Notwendigkeit belegen und so Druck auf andere Kommunen, Bezirke und die Staatsregierung aufbauen und diese zum Handeln drängen, die Finanzierung zu übernehmen und bis dahin entstandene Kosten zu erstatten.
Unterstützer*innen
- Gülseren Demirel (KV München)
- Sanne Kurz (KV München)
- Arne Brach (KV München)
- Sarah Wetzel (KV München)
- Lydia Dietrich (KV München)
- Benoit Blaser (KV München)
- Meike Thyssen (KV München)
- René Oltmanns (KV München)
- Jeanne Riedel (KV München)
- Beppo Brem (KV München)
- Kathrin Düdder (KV München)
- Florian Schönemann (KV München)
- Kati Engelhardt (KV München)
- Marcel Rohrlack (KV München)
- Barbara Hauter (KV München)
- Norman Schulz (KV München)
- Ludwig Sporrer (KV München)
- Max Döring (KV München)
- Andreas Gregor (KV München)
- Constantin Jahn (KV München)
- René Kaiser (KV München)
- David Rygiel (KV München)
- Cemal Bozoglu (KV Augsburg)
- Serdar Akin (KV Augsburg)
- Beate Walter-Rosenheimer (KV Fürstenfeldbruck)
- Doro Sührig (KV Weilheim-Schongau)