Veranstaltung: | Landesdelegiertenkonferenz | 19.-20. Oktober 2024 | Würzburg |
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Tagesordnungspunkt: | Fortsetzung TOP 7 Anträge |
Antragsteller*in: | KV Fürstenfeldbruck (dort beschlossen am: 24.09.2024) |
Status: | Zurückgezogen |
Eingereicht: | 25.09.2024, 11:27 |
I3: 3-Punkte-Plan zur Flüchtlingspolitik
Antragstext
Kommunen entlasten
Rechtslücken schließen, Vollzugsdefizite abstellen
Europäische Lösung beschleunigt umsetzen
Die öffentliche Debatte um die Flüchtlingspolitik in Deutschland reißt nicht ab.
Die Ampel-Regierung versucht, den immer neuen Forderungen der CDU/CSU-Opposition
mit schrittweisen Verschärfungen entgegenzukommen. Diese Strategie geht nicht
auf: die in Teilen rechtsextreme AfD wird trotzdem stärker; CDU/CSU reagieren
auf jedes Entgegenkommen mit immer weitergehenden Forderungen, die auf die
völlige Erosion des europäischen Flüchtlingsrechts abzielen. Es muss jetzt darum
gehen, das Vertrauen der Bevölkerung in die Ampel-Politik und in eine
progressive Koalition nach der nächsten Bundestagswahl 2025 wiederherzustellen.
Gleichzeitig müssen wir die Sorgen der Bürger*innen ernst nehmen und eine gute
positive Antwort darauf anbieten.
Weltweit nimmt das Fluchtgeschehen weiter zu – zuletzt für uns besonders spürbar
durch den Krieg Russlands gegen die Ukraine, der eine Million Menschen von dort
als Geflüchtete zu uns getrieben hat. Es gibt keinen Schalter, mit dem man die
Zunahme der weltweiten Fluchtbewegungen auf Null stellen kann – dazu gibt es
leider zu viele Krisenherde. Die Genfer Flüchtlingskonvention und die daraus
resultierenden europäischen Rechtsnormen sind die humanitäre Antwort darauf.
Deutschland und seine Zivilgesellschaft haben in den zurückliegenden Jahren eine
Herkulesaufgabe geschultert: Deutschland liegt lt. aktuellen UNHCR-Angaben mit
2,6 Mio. Geflüchteten auf Platz 4 der Länder weltweit hinsichtlich der Anzahl
aufgenommener Geflüchteter. In Europa hat kein Land – außer Tschechien – mehr
Geflüchtete pro Einwohner aufgenommen. Es gibt Millionen Menschen in unserem
Land, die mit ihrem Engagement zum Gelingen beigetragen haben – Landrätinnen und
Landräte, Bürgermeisterinnen und Bürgermeister, ehrenamtlich Engagierte und
hauptamtlich Tätige. Auf diese humanitäre Leistung können wir mit großem Stolz
blicken.
Um diese humanitäre Grundhaltung zukunftsfest zu machen, braucht es jetzt eine
kombinierte Strategie von Entlastung, dem Abstellen von Vollzugsdefiziten und
der beschleunigten Umsetzung der bereits beschlossenen europäischen Lösung
(GEAS).
- Entlastung
Aufnahme und Integration der Geflüchteten findet in den Landkreisen und Kommunen
statt. Hier müssen Entlastungsmaßnahmen, die kurzfristig wirken, zuerst
ansetzen.
Dazu fordern wir:
- Integration von Migrant*Innen muss per Gesetz als Pflichtaufgabe der
Kommunen definiert werden – statt als sog. ‚freiwillige Aufgabe‘. Dann
haben sie Anspruch auf eine angemessene und dauerhafte finanzielle
Ausstattung aus Steuermitteln dafür. Die Kommunen können dann kommunale
Integrationskonzepte erstellen, die angepasst auf ihre Situation vor Ort
wirken. Dies ist die Basis für alle Einzelmaßnahmen.
- Die Anzahl der hauptamtlichen Integrationsberater*Innen muss
bedarfsgerecht erhöht werden, um die Ehrenamtlichen von Routineaufgaben zu
entlasten. Das entlastet unmittelbar und gibt gleichzeitig den
Ehrenamtlichen wieder neue Kraft.
- Die Ghettobildung durch lange Verweildauer in den
Gemeinschaftsunterkünften muss bekämpft werden durch einen Aktionsplan
‚kostengünstige Wohnungen für Geflüchtete mit Einfach-Standard‘ und die
Mobilisierung von Leerstand. Dafür gibt es Beispiele, z.B. in München. Das
Baurecht muss entsprechend angepasst werden.
- Gleichmäßige Verteilung der Geflüchteten. Immer wieder kommt es vor, das
kleine Kommunen mit übergroßen Gemeinschaftsunterkünften konfrontiert
werden. Die konsequente Anwendung des ‚Königsteiner Schlüssels‘ bei der
Verteilung der Geflüchteten auf die Kommunen (nicht nur Länder und
Landkreise) schafft hier sofortige Abhilfe gegen Überforderung.
- Beseitigung der noch verbliebenen Hürden für die schnellstmögliche
Integration in den Arbeitsmarkt; Arbeit zuerst – mit begleitenden
Sprachkursen.
- Schulen und KiTas müssen personell so ausgestattet werden, dass sie die
Integrationsaufgaben mit den zugewanderten Kindern auch wirklich leisten
können. Dies schafft unmittelbare Entlastung für Lehrer*Innen und
Erzieher*Innen vor Ort.
Dies alles kostet Geld und muss deshalb in den Haushalten von Bund, Ländern und
Kommunen entsprechend abgebildet werden. Unredlich ist das Versprechen, dieses
Geld könne man sich sparen, wenn man den Flüchtlingszuzug abstellte. Denn die
Maßnahmen sind jetzt schon dringend nötig. Wer sie verweigert, verweigert den
Kommunen und den Haupt- und Ehrenamtlichen konkret wirksame Entlastung.
Umgekehrt gilt: gelingende Integration ist die beste Prävention gegen
Radikalisierung, senkt mittelfristig die Kosten und trägt zum Wohlstand unserer
Gesellschaft bei.
- Rechtslücken schließen, Vollzugsdefizite abstellen
Die Ereignisse der letzten Wochen haben schlaglichtartig klar gemacht, dass es
Lücken gibt sowohl im Vollzug geltenden Rechts als auch im Recht selbst. Dazu
haben unsere Landtagsfraktion und das Autorinnenpapier aus der
Bundestagsfraktion zur inneren Sicherheit – beide vom August 2024 - Wesentliches
festgestellt und gefordert. Dazu gehört u.a.
- Kein Asyl für Gewalttäter und Islamisten. Die Genfer
Flüchtlingskonvention, Art. 33, Abs.2, legt fest: „Auf die Vergünstigung
dieser Vorschrift (‚Verbot der Ausweisung und Zurückweisung‘) kann sich
jedoch ein Flüchtling nicht berufen, der aus schwerwiegenden Gründen als
eine Gefahr für die Sicherheit des Landes anzusehen ist, in dem er sich
befindet, oder der eine Gefahr für die Allgemeinheit dieses Staates
bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder eines besonders schweren
Vergehens rechtskräftig verurteilt wurde“. Diese können und sollen daher
abgeschoben werden. Dabei muss allerdings vermieden werden, dass es zu
diplomatischen Aufwertungen von Terrorregimes wie den Taliban in
Afghanistan kommt.
- Anspruch und Wirklichkeit zusammenbringen - Abschiebungen und
Überstellungen entschlossen durchführen:Es darf nicht länger hingenommen
werden, dass zehntausende Menschen, die aufgrund vorliegender
Voraussetzungen abgeschoben oder überstellt werden könnten, im Land
bleiben. Die Menschen erwarten, dass die Politik alle Anstrengungen
unternimmt, unsere Gesellschaft so zu entlasten, dass die Strukturen
arbeitsfähig bleiben. Die gesetzlichen Grundlagen sind geschaffen und
diese Bundesregierung hat sie noch einmal verschärft. Aber der Vollzug ist
noch mit zu vielen Mängeln behaftet.
- Zu alledem braucht es mehr Ressourcen u.a. bei den Ausländerbehörden, beim
Bundesamt für Migration und Flüchtlinge sowie in der Justiz, damit
Verfahren beschleunigt und effektiver werden. Dazu braucht es eine
gemeinsame Kraftanstrengung von Bund und Ländern.
Die konsequente Umsetzung dieser Maßnahmen trägt zur Erhöhung des
gesellschaftlichen Sicherheitsgefühls wesentlich bei.
- Europäische Lösung beschleunigt umsetzen
Seit April dieses Jahres gibt es – nach fast 10-jährigen Verhandlungen – ein
‚Gemeinsames europäisches Asylsystem‘ (GEAS), dem alle EU-Länder und das
Europaparlament zugestimmt haben. Es löst das gescheiterte Dublin-System ab. Es
schafft ein verbindliches Solidaritäts- und Verteilsystem (entweder Aufnahme
Geflüchteter oder finanzielle und personelle Leistungen), bei dem die Verteilung
an den Außengrenzen stattfindet. Die innereuropäischen Grenzen bleiben offen.
Es muss bis spätestens 2026 überall in nationales Recht umgesetzt werden. Das
sollte schneller gehen!
Wir Grüne hatten und haben mit diesem Kompromiss große Bauchschmerzen. Aber
jetzt ist er Beschlusslage und der einzig realistische Weg, der nachhaltig
Entlastung für Deutschland bringen kann.
Konservative, Sozialdemokraten und Liberale wollten diese Reform. Es ist nicht
seriös, wenn man sich gegen Gesetze stellt, die man selbst gerade mitbeschlossen
hat.
Die CDU-Forderung, einseitig die Grenzen Deutschlands zu schließen, zerschießt
diese Lösung, weil sie eine Kette von Gegenreaktionen der anderen EU-Ländern
auslösen würde, an deren Ende geschlossene Grenzen in ganz Europa stünden. Das
Europarecht, das Schengen-Abkommen, die Genfer Flüchtlingskonvention würden
erschüttert. Das wäre die Abrissbirne für die europäische Nachkriegsordnung. Im
Alleingang kann Deutschland die komplexen Asylprobleme keinesfalls lösen.
Stattdessen kommt es jetzt darauf an, die europäische Lösung so schnell wie
möglich und mit Nachdruck umzusetzen. Dazu gehört auch, von den europäischen
Partnern einzufordern, dass sie Geflüchtete lückenlos registrieren und nicht
einfach weiterschicken an die Grenzen zum Nachbarland.
Abschließend:
Wir wollen eine Flüchtlingspolitik fortsetzen auf der humanitären Grundlage des
Völkerrechts - der Genfer Flüchtlingskonvention.
Damit das dauerhaft gelingt, brauchen wir jetzt konkret fühlbare und
wirkungsvolle Entlastung – für die Kommunen, für die Menschen, für unser Land.
Dafür braucht es deutliche Unterstützung für bessere Integration in den
Kommunen, Behebung gesetzlicher Lücken und von Vollzugsdefiziten und die
nachdrückliche Umsetzung der europäischen Lösung.
Unterstützer*innen
- Peter Hartmann (KV Bad Kissingen)
Kommentare
Regina Hammerl:
Bitte fallt nicht auf die rechtspopulistische Diskursverschiebung herein. Danke!
Kay Paulick:
Sandra Smolka:
Marc Decker: