Veranstaltung: | Landesdelegiertenkonferenz | 19.-20. Oktober 2024 | Würzburg |
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Tagesordnungspunkt: | Fortsetzung TOP 7 Anträge |
Antragsteller*in: | LAG Integration, Flucht, Migration (dort beschlossen am: 23.09.2024) |
Status: | Zurückgezogen |
Eingereicht: | 23.09.2024, 16:07 |
I1: Integration fördern – Diskriminierung beenden – Radikalisierung vorbeugen
Antragstext
- Integrationsmaßnahmen ausbauen – Kommunen entlasten
- Radikalisierungsbekämpfung: Ermittlungsbehörden sinnvoll stärken statt
dauerhafte Grenzkontrollen
Die Migrationsdebatte ist seit dem Attentat von Solingen einmal mehr aus den
Fugen geraten. Die Ampel-Regierung versucht, den immer neuen Forderungen der
CDU/CSU-Opposition mit schrittweisen Verschärfungen zu begegnen. Diese Strategie
geht nicht auf: die in Teilen rechtsextreme AfD wird trotzdem stärker und
CDU/CSU reagieren auf jedes Entgegenkommen mit immer weitergehenden Forderungen,
die auf die völlige Erosion des europäischen Flüchtlingsrechts abzielen.
Um zu einer sachlichen Debatte zurückzukommen, muss zuallererst wieder anerkannt
werden: Die allermeisten Menschen, die in Deutschland und anderen europäischen
Staaten um Asyl bitten, sind keine Kriminellen – sie sind selbst vor Terror und
Krieg geflohen und erhoffen sich ein selbstbestimmtes, friedliches Leben in
Freiheit und Sicherheit. Der in der öffentlichen Diskussion stattfindenden,
offenen oder versteckten Diskriminierung von Geflüchteten und deren pauschale
Gleichsetzung mit Kriminalität und Terrorismus muss entschieden entgegengetreten
werden.
Es muss jetzt darum gehen, der Bevölkerung die durch den politischen und
medialen Diskurs mit viel Populismus angefachten Ängste zu nehmen, wieder
Vertrauen in unsere politische Handlungsfähigkeit aufzubauen und damit wichtige,
historische Errungenschaften wie das internationale Asylrecht und den
Schengenraum, aber auch den sozialen Zusammenhalt in unserer vielfältigen
Gesellschaft zu schützen.
Vernunftbasierte Politik statt kopfloser Populismus! Für eine effektive,
menschenwürdige und rechtssichere Asyl- und Integrationspolitik – und eine
zielgerichtete Prävention von Radikalisierung zum Schutz aller hier lebenden
Menschen.
- Integrationsmaßnahmen ausbauen – Kommunen entlasten
Finanzielle und personelle Investitionen in zielführende Integrationsmaßnahmen
senken mittelfristig die staatlichen Kosten. Eine effektive, gerechte,
menschliche und ganzheitliche Integrationspolitik ist die beste Prävention von
Radikalisierung und Kriminalität und trägt zudem zum Wohlstand sowie zum
sozialen Frieden unserer Gesellschaft bei.
- Integration als Kommunale Pflichtaufgabe
Integration von Migrant*innen muss per Gesetz als Pflichtaufgabe der Kommunen
definiert werden – statt als sogenannte ‚freiwillige Aufgabe‘. Dann haben die
Kommunen Anspruch auf eine angemessene und dauerhafte finanzielle Ausstattung
aus Steuermitteln und können kommunale Integrationskonzepte erstellen, die
angepasst auf ihre Situation vor Ort wirken. Dies ist die Basis für alle
Einzelmaßnahmen.
- Betreuungsschlüssel erhöhen
Die Anzahl der hauptamtlichen Integrationsberater*innen muss bedarfsgerecht
erhöht werden, um die Ehrenamtlichen von Routineaufgaben wie dem Ausfüllen von
Formularen zu entlasten. Schon länger in Deutschland lebende Geflüchtete mit
guten Sprachkenntnissen könnten offiziell und gegen Bezahlung ebenfalls deutlich
zur Entlastung und Vermittlung beitragen. Mit der dadurch gewonnen Zeit und
Energie können sich Ehrenamtliche auf soziale und interaktive
Integrationsmaßnahmen konzentrieren, zwischenmenschliche Beziehungen und
Vertrauensverhältnisse aufbauen. Mit einem erhöhten hauptamtlichen
Betreuungsschlüssel können Menschen in psychischen Ausnahmesituationen, aber
auch mit Radikalisierungstendenzen schneller erkannt werden und es können
effektive präventive Maßnahmen zur Stärkung der inneren Sicherheit eingeleitet
werden.
- Ghettobildungen vermeiden – Wohnraum schaffen
Der Ghettobildung durch lange Verweildauer in den Gemeinschaftsunterkünften muss
durch einen Aktionsplan ‚kostengünstige Wohnungen für Geflüchtete mit Einfach-
Standard‘ entgegengetreten werden. Dafür gibt es Beispiele, z.B. in München. Das
Baurecht muss entsprechend angepasst werden.
- Bayern: Gleichmäßige Verteilung von Geflüchteten
Immer wieder kommt es vor, dass kleine Kommunen mit übergroßen
Gemeinschaftsunterkünften konfrontiert werden. Die konsequente Anwendung des
‚Königsteiner Schlüssels‘ bei der Verteilung der Geflüchteten auf die Kommunen
(nicht nur Länder und Landkreise) kann hier einer Überforderung einzelner Orte
entgegenwirken.
- Schnelle Integration in den Arbeitsmarkt
Die noch verbliebenen Hürden für die schnellstmögliche Integration in den
Arbeitsmarkt müssen schnellstmöglich beseitigt werden. Zudem sollten
Arbeitgeber*innen selbst entscheiden können, welches Sprachniveau für
individuell benötigte Tätigkeiten erforderlich ist. In Unternehmen angebotene,
begleitende Integrations- und Sprachkurse sollten durch ein staatliches
Förderprogramm unterstützt werden
- Kinderbetreuung und Bildung für alle
Schulen und KiTas müssen personell so ausgestattet werden, dass sie die
Integrationsaufgaben mit den zugewanderten Kindern auch wirklich leisten können.
Für viele anfallende Tätigkeiten (Essen zubereiten, Vorlesen, sportliche und
kreative Aktivitäten) braucht es nicht zwingend pädagogisches Personal – hier
können Quereinsteiger*innen zur unmittelbaren Entlastung für Lehrer*innen und
Erzieher*innen vor Ort beitragen.
- Für Geflüchtete & Kommunen: Bayerische Variante der Bezahlkarte abschaffen
Die Bezahlkarte in Bayern mit der Möglichkeit, höchstens 50 Euro Bargeld pro
Monat zur Verfügung zu haben, kostet die Steuerzahler*innen unverhältnismäßig
viel, belastet zusätzlich das ohnehin schon oft am Limit arbeitende
Verwaltungspersonal und behindert die gesellschaftliche Teilhabe und Integration
von Asylbewerber*innen und Geflüchteten, indem sie deren Handlungsspielräume
unnötig einschränkt und ist zudem laut Datenschutzaufsichtsbehörde der Länder
unrechtmäßig (siehe Beschluss vom 19.08.2024.) Für jede „außergewöhnliche“
Ausgabe (Vereinsbeitrag, Anwaltskosten, ein gebrauchtes Fahrrad, …) muss bei den
Verwaltungsmitarbeiter*innen persönlich vorgesprochen werden. Als sinnvoll
erachten wir eine „Umwidmung“ der bayerischen Bezahlkarte in eine so genannte
„SocialCard“ nach dem Modell in Hannover, die bewusst auf eine
Bargeldbeschränkung verzichtet.
- EU-Ebene: Gelingende Integration durch faire Verteilung fördern
Wir Grüne hatten und haben mit diesem Kompromiss große Bauchschmerzen, aber wir
tragen ihn mit: Dem im April dieses Jahres verabschiedeten ‚Gemeinsamen
europäischen Asylsystem‘ (GEAS) haben alle EU-Länder und das Europaparlament
zugestimmt. Es löst das gescheiterte Dublin-System ab und schafft ein
verbindliches Solidaritäts- und Verteilsystem (entweder Aufnahme Geflüchteter
oder finanzielle und personelle Leistungen), bei dem die Verteilung an den
Außengrenzen stattfindet – und die innereuropäischen Grenzen offenbleiben.
Angesichts des sich immer weiter auf nationale Abschottung setzenden Kurses
sollte die Beschlusslage unter Einhaltung internationaler Menschenrechte und
strenger Beobachtung durch internationale Organisationen zuerst umgesetzt
werden, so dass die Menschen mit Recht auf Asyl schnell im sie aufnehmenden Land
Fuß fassen können.
- Radikalisierungsbekämpfung: Ermittlungsbehörden sinnvoll stärken statt
dauerhafte Grenzkontrollen
Terrorismus jeglicher Art ist eine Bedrohung der freiheitlichen Welt, der nur in
internationaler Zusammenarbeit die Stirn geboten werden kann. Auf die sich
schnell ändernden Gegebenheiten abgestimmte, moderne, kooperative
Ermittlungsverfahren sind dafür unabdingbar – und zielführender als nationale
Alleingänge. Nationale Präventivmaßnahmen müssen parallel dazu durchgeführt
werden.
- Effektive europäische Zusammenarbeit
Die Maßnahme, einseitig die Grenzen Deutschlands zu schließen und Geflüchtete
bereits an der Grenze „zurückzuschieben“, widerspricht der Genfer
Flüchtlingskonvention, gefährdet das Schengen-Abkommen – und wird weder dazu
führen, mutmaßliche Terroristen zu erkennen noch Geflüchtete davon abhalten,
sich auf den Weg zu machen. Dieses Vorhaben wird aber eine Kette von
Gegenreaktionen der anderen EU-Ländern auslösen, an deren Ende geschlossene
Grenzen in ganz Europa stehen. Das wäre eine große Gefahr für das europäische
Gleichgewicht und würde unzähligen europäischen Bürger*innen Alltag und
Arbeitsleben erschweren sowie ihr Grundrecht auf Reisefreiheit einschränken.
Außerdem wird die ohnehin schon oft unterbesetzte Bundespolizei durch
ausgeweitete Grenzkontrollen zusätzlich belastet und möglicherweise von
effektiveren Einsatzbereichen zur Terrorbekämpfung an Bahnhöfen, Flughäfen und
in Fußballstadien abgehalten.
Zusammengefasst: Die von Bundesinnenministerin Nancy Faeser angeordneten,
dauerhaften Grenzkontrollen sind unverhältnismäßig, rechtlich in einer Grauzone,
binden Polizeibeamte, die anderweitig benötigt werden, behindern Bürger*innen
sowie die Arbeitsalltag von unzähligen, am innereuropäischen Warenverkehr
beteiligten Arbeitnehmer*innen und bringen eine der bedeutendsten
Errungenschaften der Nachkriegszeit – den Schengenraum – in Gefahr.
Stattdessen sollten die europäischen Geheimdienste sowie Polizei- und
Strafverfolgungsbehörden noch intensiver zusammenarbeiten und
sicherheitsrelevante Erkenntnisse über so genannte Gefährder*innen unkompliziert
austauschen können.
- Polizei und Ermittlungsbehörden für Internetkriminalität zeitgerecht
ausstatten
Wer schon einmal mit Hassverbrechen im Internet konfrontiert war, weiß, wie
überlastet und überfordert die Strafverfolgungsbehörden sind. Kaum ein Täter
wird gefasst. Hier braucht es endlich eine angemessene Ausstattung der
Strafverfolgungsbehörden, damit Straftäter sich durch Straflosigkeit nicht
länger in ihren Taten bestärkt fühlen, Hass schüren und Menschen mit
extremistischer Ideologie verführen können. Hasskriminalität, Desinformation und
Radikalisierung im Netz müssen stärker bekämpft werden.
Allerdings gilt es im parlamentarischen Verfahren dafür zu sorgen, dass hier
keine Regeln geschaffen werden, die willkürliches Behördenhandeln fördern oder
rechtliche Unklarheiten verschärfen. Law-and-Order-Schnellschüssen sollten klare
Absagen erteilt werden.
- Keine Abschiebedeals mit Gewaltherrschern
Auch wenn Abschiebungen von Straftätern ggf. von der Genfer
Flüchtlingskonvention gedeckt wären: Abschiebedeals mit Terrororganisationen wie
den Taliban in Afghanistan oder dem Assad-Regime in Syrien stehen im krassen
Widerspruch zu unseren nationalen Interessen. Mit uns wird es auch künftig keine
Verhandlungen mit Terroristen geben und mit uns sollen keine Steuergelder an
Terroristen fließen, die zur Radikalisierung weiterer Menschen genutzt werden
können. Im Sinne des Opferschutzes sollen schwere Straftaten nach nationalem
Recht mit aller Härte bestraft werden.
- Islamistische Prediger und Vereine schneller verbieten
Das Verbot des Islamischen Zentrums Hamburg (IZH), das vermutlich direkte
Weisungen der iranischen Regierung umgesetzt hat, war richtig – kommt aber 30
Jahre, nachdem der Verfassungsschutz erstmals vor islamistischen Tendenzen
gewarnt hat, deutlich zu spät. Wenn es Informationen und Beweise für
demokratiefeindliche und antisemitische Bestrebungen gibt, müssen die Behörden
schneller und effektiver mit Verboten und der Sperrung von Onlineauftritten
handeln dürfen – auch und insbesondere zum Schutz der Millionen die Demokratie
wertschätzenden Musliminnen und Muslime, die Teil unserer vielfältigen
Gesellschaft sind.
- Ausweitung des Islamunterrichts an Schulen
Die Einführung des Islamunterrichts als Wahlpflichtfach in Bayern war ein
wichtiger erster Schritt, um muslimische Schüler*innen und ihre Eltern in ihrer
religiösen Identität ernst zu nehmen und ein elementares Gefühl der
Zugehörigkeit zu geben. Durch die Möglichkeit, die verschiedenen Ausprägungen
des Islam ohne Einwirkung eines ausländischen Staates oder Vereins
kennenzulernen, kann der einseitigen Fixierung auf radikale Auslegungen effektiv
vorgebeugt werden. Der Bedarf an Lehrpersonal für Islamunterricht ist aber bei
weitem nicht gedeckt, für die Oberstufe wird bisher gar kein entsprechender
Unterricht angeboten und eine echte Gleichberechtigung ist durch ein
„Wahlpflichtfach“ nicht gegeben. Wir setzen uns für einen islamischen
Religionsunterricht ein, der auf Augenhöhe mit dem bisher in Bayern etablierten,
konfessionsgebundenen Religionsunterricht steht und flächendeckend mit
ausreichend Personal gedeckt ist, das sich zu unserer demokratischen
Grundordnung bekennt.
Unterstützer*innen
- Ulrike Schweiger (KV Berchtesgadener Land)
- Lendita Musliji (KV München)
- Dardan Kolic (KV München)
- Raluca Behrens (KV Dachau)
- Kristin Martl-Hassan (KV Mühldorf)
- Kerstin Daser (KV Mühldorf)
- Stefan Haas (KV Dachau)
- Stephan Fritsch (KV Erlangen-Stadt)
- Christian Wiedemann (KV München)
- Johannes Rückerl (KV Regensburg-Stadt)
- Matthias Kraft (KV Mühldorf)
- Hilke Ganzert (KV München)
- Patrizia Siontas (KV Erlangen-Land)
- Felix Gerstner (KV Neustadt/Aisch-Bad Windsheim)
- Karolina Novinscak Kölker (KV München)
- Andreas Krahl (KV Garmisch-Partenkirchen)
- Martin Cremer (KV Dachau)
- Verena Machnik (KV Starnberg)
- Tanja Josche (KV Roth)
- Alexander Rohde (KV Freyung-Grafenau)
- Simone Duling (KV Dachau)
- Flora Weichmann (KV Starnberg)
- Philipp Jonsson (KV Fürstenfeldbruck)
- Jonas Werner (KV Erlangen-Stadt)
- Sandra Smolka (KV Freising)
- Peter Hartmann (KV Bad Kissingen)
- Katharina Bach (KV Ansbach)
- Karin Scherer (KV Erlangen-Land)
- Kay Paulick (KV Rosenheim)
- Timm Schulze (KV Bamberg-Stadt)
- Olivia Kreyling (KV Kelheim)
Kommentare
Regina Hammerl:
Alexander Rohde:
Wenn ich aber anmerken dürfte, dass mir in der aktuellen Debatte folgendes gehörig auf den Keks geht: es wird gar nicht davon gesprochen, die Fluchtursachen zu bekämpfen.
Im Rahmen einer effektiven Zusammenarbeit in Europa sollten auf multilateraler Ebene ressortübergreifende Maßnahmen ergriffen werden, um Fluchtursachen nun endlich effektiv einzudämmen.
Sandra Smolka:
Marc Decker:
Regina Hammerl:
Bitte beachten, dass man zu diesem Antrag hier keine Änderungsanträge stellen kann. "Änderungsantrag stellen Der Antragsschluss ist vorbei." wird bereits seit Tagen angezeigt.
Marc Decker:
Viola Grießhammer:
Wenn ihr die Anträge zusammenfasst achtet bitte darauf die Themen Integration / Migration und Terrorismus / Radikalisierung wie von Regina angemerkt separat zu behandeln. Bitte nicht vermischen.