Veranstaltung: | Landesdelegiertenkonferenz 2022 |
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Tagesordnungspunkt: | TOP 4 Anträge |
Antragsteller*in: | Stefan Christoph (KV Regensburg-Stadt), Sanne Kurz (KV München), Erhard Grundl (KV Straubing), Katharina Wolfrum (KV München), Martina Neubauer (KV Starnberg), Ludwig Sporrer (KV München) (dort beschlossen am: 24.08.2022) |
Status: | Eingereicht |
Eingereicht: | 25.08.2022, 00:05 |
A7: Kulturräume erhalten – Festivals und Livekultur stärken
Antragstext
Nach zwei Jahren Pandemie ist das, was vom Kulturleben übrig ist, langsam wieder
am Hochfahren. Viele Menschen haben es vermisst, Livemusik zu hören, eine Lesung
zu besuchen, im Theater oder Kino zu sitzen und sich dabei und danach mit
anderen zu treffen und zu unterhalten. Denn Kultur ist nicht nur ein nice-to-
have, sondern elementarer Bestandteil von Teilhabe unseres sozialen Lebens.
Digitale Formate haben sich trotz oft beeindruckender Ideenvielfalt relativ
schnell abgenutzt. Kunst und Kultur leben von Präsenz, von Verdichtung von
Beziehung zueinander und Austausch miteinander – und auch davon, dass das
Publikum sich als Gemeinschaft begreift.
Kultur selbst wiederum verdichtet sich in Festivals. Die hat es in den
vergangenen beiden Jahren hart getroffen. Schließlich waren riesige
Menschenansammlungen während einer Pandemie keine sonderlich gute Idee.
Gleichzeitig sind Festivals aber wichtige Räume, in denen sich einerseits Kultur
und Künste weiterentwickeln und einem größeren Publikum zeigen, andererseits wir
aber auch unser unser Bedürfnis an sozialer Interaktion wieder erfüllen können.
Viele Akteur*innen der Livekultur, Konzert- und Festivalveranstalter*innen haben
sich deswegen gute Konzepte zum Infektionsschutz ausgedacht. Langsam ist das
Festivalleben gerade wieder am Aufleben. Open Air-Festivals bieten als Kultur an
der frischen Luft einen großen Vorteil was das Infektionsgeschehen auch für
vulnerablere Personen angeht.
Viele Festivals und Liveveranstaltungen existieren durch und wegen enorm hohen
ehrenamtlichen Engagements. Nachwuchs für dieses Engagment blieb Pandemie
bedingt vielfach aus. Dort, wo man sich professionalisiert hatte und mit Mini-
Jobs, Soloselbstständigen oder Angestellten tätig war, fehlen nun die breit
abgewanderten Arbeitskräfte, die kein Hilfsprogramm halten konnte. Auch die
Vorverkäufe sind um bis zu 89% eingebrochen und bedrohen die Liquidität,
Publikumszahlen liegen immer noch weit unter Vor-Pandemie-Niveau, was wiederum
bei auslaufenden Hilfsprogrammen die Existenz vieler Festivals bedroht.
Deswegen müssen wir uns jetzt Gedanken darüber machen, wie wir Festival- und
Livekultur in den nächsten Jahren politisch weiter unterstützen können, damit
die Festivalkultur in Bayern nach der Pandemie wieder aufleben und weiterleben
kann. Unser grüner Anspruch in der Kulturförderung ist, dass Festivals für alle
da sind!
Förderpraxis ins Hier und Heute holen
- Transparente Förderpraxis etablieren – Intransparente Förderpraxis ohne
öffentlich einsehbare Kriterien und ohne im Netz leicht auffindbare
Ansprechpersonen ist Kulturförderung nach Gutsherrenart. Wir treten dem
mit Mindest-Standards zu digitalen Einreichewegen, Online-Veröffentlichung
von Vergabekriterien und Förder-Richtlinien und Ansprechpersonen entgegen.
Diese Mindest-Standards wollen wir auf allen Ebenen implementieren. Auch
bei den Verwendungsnachweisen streben wir Harmonisierung und digitale
Abwicklung der Verwendungsnachweise an.
- Lokale und regionale Kulturräume stärken – Überall in der Fläche Bayerns
sind in den vergangenen Jahren viele innovative Festivals entstanden, die
den DIY-Gedanken, Themen wie Nachhaltigkeit und ein gleichberechtigtes
Zusammenleben zur Grundlage gemacht haben. Gerade auf dem Land ist es aber
oft schwieriger, Behörden von einem Konzert- oder Festivalvorhaben zu
überzeugen. Wir Grüne sehen Festivals und andere Kulturveranstaltungen als
wichtigen Faktor für gleichwertige Lebensverhältnisse in Stadt und Land.
Deswegen wollen wir uns auch auf lokaler Ebene dafür einsetzen, dass
Kulturveranstaltungen durch die lokalen Behörden die notwendige
Unterstützung und Hilfestellung bekommen. Nach dem baden-württembergischen
Vorbild wollen wir Regionalmanager*innen für Kultur einrichten, die den so
wichtigen Austausch und Wissenstransfer, beispielsweise in Bezug auf
Drittmittelakquise, vorantreiben.
- Strukturförderung statt Dauer-Projektisierung – Wir Grüne wollen Kultur
als kommunale Pflichtaufgabe verankern und Kommunen befähigen, ihren
Anteil zu einem lebendigen Kulturleben beizutragen. Auf allen politischen
Ebenen in Bayern von Kommune bis Freistaat werden öffentliche Haushalte
vermehrt in enger Taktung beschlossen, mit der Folge, dass beispielsweise
staatliche Mittel für Kultur oft erst im Frühsommer bewilligt werden und
erst im September ankommen - mit der Vorgabe, sie bis Dezember auszugeben.
Strukturförderung über mehrere Jahre statt Dauerprojektisierung soll hier
Luft zum Atmen schaffen, um die Kulturakteur*innen in unserem Land zu
befähigen, das zu tun, was sie am Besten können: kreativ sein!
Sozial-Ökologische Nachhaltigkeit voranbringen – Gesellschaft
- UN-Behindertenrechtskonvention umsetzen – Damit Festivals für alle da
sind, müssen Inklusion und Barrierefreiheit bei Festivals besser
unterstützt und politisch gefördert werden, die gesetzliche Grundlage ist
hierbei die UN-Behindertenrechtskonvention. Viele kleinere Maßnahmen sind
oft nur mit geringem Aufwand verbunden, brauchen aber eine
Wissensweitergabe unter Veranstalter*innen und Beratung durch
Selbstvertreter*innen. Andere Maßnahmen wie der Einsatz von
Gebärdensprachdolmetscher*innen, von Induktionsschleifen, barrierefreie
mobile Toilettenanlagen u. a. bringen aber oft einen hohen finanziellen
Aufwand für die Veranstalter*innen mit sich. Wir wollen daher einerseits
die Wissensweitergabe in diesem Bereich über Netzwerke und Leitfäden,
beispielsweise über die Popularmusikbeauftragten der Bezirke oder über die
lokalen Kulturbehörden, fördern. Andererseits sollte der Freistaat ein
Förderprogramm für die inklusive und barrierefreie Gestaltung von
Festivals auflegen, das es auch kleineren und ehrenamtlichen
Veranstalter*innen ermöglicht, mehr Menschen an ihren Veranstaltungen
teilhaben zu lassen. Last not least muss Coaching zur Barrierefreiheit
förderfähig werden.
- Parität und Diversität fördern – Immer wieder großer Diskussionspunkt ist
das Thema Geschlechtergerechtigkeit und Diversität im Festivalbereich.
Beispielsweise gehören bei Musikfestivals All-Male Bookings auch heute
noch nicht der Vergangenheit an. Wir Grüne wollen die Vielfältigkeit der
Kulturszene in Bayern auch auf die Bühnen bringen. Das hört nicht bei der
Frauen*förderung auf, sondern schließt auch marginalisierte Gruppen mit
ein. Festivals und Liveveranstaltungen, die von der öffentlichen Hand
veranstaltet oder gefördert werden, sollten deswegen bei der Auswahl von
Künstler*innen ein besonderes Augenmerk auf eine vielfältige
Einladungsliste legen, die Vielfalts-Kriterien genügt. Diese Vielfalt
bezieht sich für uns auf Personen hinter den Kulissen, Menschen auf der
Bühne, Zielgruppen bzw. Publikum und Inhalte.
- Familienfreundlichkeit stärken – Frauen* leisten immer noch ein Großteil
der Care-Arbeit. Die Abwesenheit von Frauen* in weiten Teilen der
Kulturszene hat auch mit Elternschaft zu tun. Familienfreundliche
Bedingungen für Kreative und Publikum sollten daher Selbstverständlichkeit
sein, um Frauen*, die Care-Arbeit leisten, bessere Teilhabe zu
ermöglichen. Darum wollen wir Kinderbetreuung förderfähig machen und
Coaching-Angebote zur Familienfreundlichkeit im Kultursektor voranbringen.
- Sozialstandards einhalten – Vergabe öffentlicher Mittel sollten an
Sozialstandards gebunden sein. Die Öffentliche Hand darf nicht mithelfen
Prekariat zu manifestieren. Darum stehen wir für Fair Art Funding mit
verbindlichen Mindesthonoraren und Mindestgagen bei Förderungen und Fair
Art Booking dort, wo die Öffentliche Hand direkt Kreativleistungen bucht
oder Veranstalterin ist.
- Safe Spaces – Damit alle den Festivalbesuch genießen können, ist es auch
unablässig, Belästigungen und Übergriffe, die in einer mit Alkohol oder
Drogen aufgeladenen Atmosphäre leider noch öfter vorkommen als sowieso
schon, zu unterbinden und für Fälle, in denen sie passieren, passende
Hilfe zur Verfügung zu stellen. Immer mehr Festivals richten zu diesem
Zweck ständige Awarenessteams ein oder schulen ihr gesamtes Personal für
Fragen der Awareness bezüglich sexueller Belästigungen und Übergriffe. Wir
wollen Veranstalter*innen ermutigen, ihre Festivals zu sicheren Räumen für
alle Besucher*innen zu machen und ihnen dafür Wissensressourcen und
Netzwerke zur Verfügung stellen.
Sozial-Ökologische Nachhaltigkeit voranbringen – Umwelt
- Nachhaltige Festivalförderung – Wie in allen anderen gesellschaftlichen
Bereichen, müssen wir uns auch in Kunst und Kultur Gedanken über
Klimaschutz und Nachhaltigkeit machen. Dass Festivals mitunter viele
Ressourcen verbrauchen, sowohl durch die Veranstaltung selbst, aber auch
durch das Verhalten der Besucher*innen, ist kein Geheimnis. Viele
Veranstalter*innen haben sich in den vergangenen Jahren hier aber bereits
zahlreiche Gedanken gemacht und tolle Konzepte zur Umsetzung gebracht. Wir
wollen Veranstalter*innen, die diesen Weg gehen, künftig auch von
politischer Seite mit Fördermitteln unterstützen.
- Klimaschutz – Festivals profitieren von ökologischen Standards im
Kulturbereich. Wir regen eine IHK-zertifizierte Weiterbildung zum „Green
Consultant Kulturmanagement“ an, machen Green Coaching förderfähig,
etablieren einheitliche und vergleichbare Kultur-CO2-Rechner und
entwickeln Kriterien für einen „Grünen Kultur Pass“ zur Zertifizierung der
Festivals, die schon heute vorbildliche Arbeit im Bereich ökologischer
Nachhaltigkeit leisten.
- Mobilität – umweltfreundliche Mobilität vom und zum Festival muss noch
besser werden. In Abstimmungen, wo die Bahn welche Halte und Bedarfshalte
bewahrt oder etabliert, bringen wir kulturelle Bedarfe mit ein. Bei
Einrichtung neuer ÖPNV-Angebote fragen wir Bedarfe der Kultur ab. Neben
dem ÖPNV-Ausbau bis in Randstunden hinein denken wir auch an das Fahrrad
als umweltfreundliches Transportmittel hin zum Festival, dessen Bedarfe
und Logistik (Abstellanlagen etc.) im Kulturbereich förderfähig werden
sollen. So wie Straßen zu Festivalorten aus dem Mobilitätsbudget kamen,
finanzieren wir auch umweltfreundliche Mobilitätsangebote für Kultur aus
den Mobilitätsbudgets.
- Zero Waste – Wir unterstützen Festivals auf ihrem Weg hin zu Zero Waste.
Angebote von Spülmobil bis Mehrweg-Pfandsysteme wollen wir dabei ebenso
unterstützen wie die Gründung von Zweckverbänden zur überregionbalen
Strukturverbesserung der Miet-Angebote für Zero-Waste-Logistik für den
Kulturbereich.
- Material-Minimierung – Das betrifft nicht nur die Logistik rund um
Catering und Geschirr, sondern auch Zweckverbände für Bühnenaufbauten,
Bestuhlung, Bühnentechnik, umweltfreundliche und barrierefreie Toiletten-
Services und vieles andere mehr, das in Vielfach-Nutzung
ressourcenschonender ist als in Einzelnutzung.
Materialverteilungsinitiativen können außerdem dabei helfen, Bühnenbauten
u.ä., zu einem "zweiten Leben" zu verhelfen.
- Ökologischer Impact vor Ort – Bei sensiblen Flächen suchen wir auf allen
Ebenen das Gespräch und gehen unvoreingenommen in die Abstimmung von
Bedarfen hinein. Ziel hierbei ist lösungsorientierte, gemeinsame Arbeit
zur Ermöglichung von mehr Kultur bei gleichzeitiger Schonung unserer
Umwelt. Wir vernetzten Expertise zu häufig entstehenden Divergenzen und
machen Best-Practise Beispiele bekannter, um überall zu guten Lösungen für
alle zu kommen.
- Green Culture Desk – Wir wollen Veranstalter*innen auch in Bayern analog
zum Green Culture Desk im Bund, der Beratung und Mittel für die
ökologische Transformation anbietet, künftig mit Fördermitteln
unterstützen.
Begründung
erfolgt mündlich
Unterstützer*innen
- Antonia Heil (KV Rosenheim)
- Martina Neubauer (KV Starnberg)
- Sebastian Hansen (KV Würzburg-Land)
- Claudia Köhler (KV München-Land)
- Petra Tuttas (KV München)
- Mirjam Körner (KV Bayreuth-Stadt)
- Maria Wißmiller (KV München)
- Ludwig Sporrer (KV München)
- Wiebke Richter (KV Regensburg-Stadt)
- Ami Lanzinger (KV Erding)
- Martin Blankemeyer (KV München)
- Sabine Bock (KV Freising)
- Arian Kunze (KV Ebersberg)
- Angela Büttner (KV München)
- Oliver Groth (KV Regensburg-Stadt)
- Elli Wolf (KV Amberg-Sulzbach)
- Marie-Christine Scholz (KV Regensburg-Stadt)
- Marion Lüttig (BV KPV Bayern)
- Anja Callam (KV München)
- Florina Vilgertshofer (KV München)
- Mona Fuchs (KV München)
- Doris Wagner (KV München)
- Georg Koch (KV München)
- Oliver Strisch (KV Eichstätt)
- Thomas Holler (BV KPV Bayern)
- Martin Züchner (KV München)
Kommentare
Bärbel Imhof:
Bärbel Imhof, KV Main- Spessart
Christiane Lischka-seitz:
Christiane Lischka-Seitz, Ortssprecherin Burgthann
Ottilie Eberl:
Ottilie Eberl
KV Ebersberg
Christoph Krpoun:
Christoph Krpoun
KV Regensburg-Stadt