Veranstaltung: | Landesdelegiertenkonferenz |
---|---|
Tagesordnungspunkt: | 8 Anträge |
Antragsteller*in: | Ekin Deligöz (KV Neu-Ulm) |
Status: | Eingereicht |
Eingereicht: | 13.09.2019, 14:26 |
A7: Gleiche Startchancen für alle Kinder - für eine verlässliche und bedarfsgerechte Kindergrundsicherung
Antragstext
Ob Vater-Mutter-Kind-Familien, Alleinerziehende, Patchwork- oder
Regenbogenfamilien, Adoptiv- oder Pflegefamilien: Wir GRÜNE schaffen die
Voraussetzungen, um alle Familien stark zu machen – von der Geburt bis zum
Lebensabend. Wir wollen Familien mit geringem Einkommen besser unterstützen. Wir
fordern deshalb eine Kindergrundsicherung, die den tatsächlichen Bedarf jedes
Kindes abdeckt und das Nebeneinander vieler familienpolitischer Maßnahmen
beendet. Daher fordern wir die Bayerische Staatsregierung dazu auf, eine
Bundesratsinitiative Kindergrundsicherung zu starten.
Kinderarmut anhaltend hoch
Seit Jahren verharrt die Armut von Kindern in Deutschland auf hohem Niveau. Ein
Fünftel der Kinder ist arm und in seinen Teilhabechancen eingeschränkt. Das sind
rund zwei Millionen Kinder, für die viele normale Dinge aus dem Alltag anderer
Kinder kaum noch erschwinglich sind. Können die Klamotten noch aus dem Second-
Hand-Laden sein, wird es bei Kino, Schwimmbad oder gar einem Restaurantbesuch
schon eng. Es ist keine Selbstverständlichkeit für diese Kinder, den Sportverein
oder Musikunterricht besuchen zu können.
Besonders drastisch ist die Lage von Alleinerziehenden und deren Kindern – hier
liegt die Armutsquote bei über einem Drittel. Viele von ihnen arbeiten,
jonglieren sich die Vereinbarkeit irgendwie zurecht und müssen gleichzeitig
mitansehen, wie knapp es am Monatsende wieder mit der Haushaltskasse geworden
ist. Und dann gibt es auch noch viele Familien, die aus Überlastung, aus
Unwissenheit oder auch aus Stolz manche ihnen zustehende Leistungen gar nicht in
Anspruch nehmen. Diese verdeckte Armut wollen wir mit unserer
Kindergrundsicherung eindämmen.
Fördersysteme brauchen ein Update
Eine Reihe kleinteiliger Verbesserungen des Transfer- und Fördersystems führten
in den letzten, Jahren zu keiner Trendwende. Hier eine Antragserleichterung beim
Teilhabepaket, dort an den Stellschrauben vom Kinderzuschlag gedreht: Die Große
Koalition hat auch nach Jahren nicht die entscheidende Trendwende bei der
Kinderarmut hinbekommen. Diese ‚gezielten‘ Leistungen erreichen nicht genügend
Kinder zielgenau. Zudem decken sie nicht die Bedarfe, die fair und gut für die
Kinder wären.
Gleichzeitig leistet sich die Bundesregierung andere, teure Maßnahmen wie das
Baukindergeld oder Freibetragserhöhungen, die aber von vornherein faktisch
keinen Beitrag zur Armutsbekämpfung leisten. Im Gegenteil, hier werden vielfach
Familien entlastet, die in Bezug auf ihre Kinder vom geltenden Steuersystem
ohnehin schon besser gestellt werden als kleine und mittlere Einkommen.
Gleiche Startchancen für alle Kinder ermöglichen
Abertausende von Kindern drohen dauerhaft abgehängt zu werden, weil sie
unzureichende Startchancen haben. Weil Zugang zu Kultur eben auch Geld kostet,
weil das Wohnumfeld entwicklungsbelastend sein kann oder einfach weil man bei
normalen Unternehmungen anderer Kinder nicht dabei sein kann. Diese und ähnliche
Faktoren prägen die Entwicklung von Kindern und Jugendlichen.
Dieser Mangel an Fairness ist den Kindern gegenüber nicht in Ordnung. Und es ist
für die Gesellschaft als Ganze eine schwere Bürde. Die Bundesregierung hat es
jahrelang versäumt, einen großen Reformschritt bei der Förderung von Kindern zu
machen. Eine Politik der kleinen Schritte kann erfolgreich sein. Wir haben aber
gelernt, dass sie zur Bekämpfung von Kinderarmut nur wenig taugt: zum einen sind
die Fallstricke der Fördersysteme zu vielfältig, zum anderen wählte die
Bundesregierung stets vergleichsweise kostengünstige Reformvarianten. Wir
hingegen sind fest überzeugt, dass an den Kindern sparen heißt, definitiv an der
falschen Stelle zu sparen. Mit der Einführung einer grünen, eigenständigen
Kindergrundsicherung wollen wir eine Verschiebung der Prioritäten zu mehr
Gerechtigkeit und mehr Zukunftschancen für Kinder. Es braucht großen Einsatz, um
den gordischen Knoten Kinderarmut endlich zu durchschlagen.
Kindergrundsicherung: verlässlich und bedarfsgerecht
Wir wollen eine Kindergrundsicherung, die Familien das Leben leichter macht und
allen Kindern das garantiert, was sie zum Leben brauchen. Sie soll automatisch
und ohne kompliziertes Antragsverfahren ausgezahlt werden. Die grüne
Kindergrundsicherung besteht aus einem Garantie-Betrag für jedes Kind in Höhe
von 280 Euro und einem ergänzenden und variablen GarantiePlus-Betrag für
Bedürftige oder nur über geringes Einkommen verfügende Familien. Der
GarantiePlus-Betrag geht mit einer Neubestimmung der Kinderregelsätze einher und
soll – nach Altersstufen gestaffelt - bis zu 223 Euro betragen. Zusammengenommen
ergibt das eine auskömmliche Kindergrundsicherungsleistung von bis zu 503 Euro
pro Kind und Monat. Bislang wird der Kinderregelsatz schlicht von –
kleingerechneten - Erwachsenenbedarfen abgeleitet. Maßstab ist dabei das
Einkommensende.
Wir wollen das ändern und uns dazu stärker an den Bedarfen ‚durchschnittlicher‘
Familien orientieren. Das bildet realitätsgerechter ab, was Kinder für ein gutes
Aufwachsen in unserem Land brauchen. Außerdem soll für jedes Kind ein
eigenständiger Anspruch auf diese Leistung bestehen, der nicht durch
‚Verrechnungen‘ mit der Grundsicherung geschmälert wird. Der GarantiePlus-Betrag
schmilzt langsam ab, sodass sich (mehr) Arbeit für die Eltern rechnet. Denn
natürlich gilt weiterhin, dass gute Erwerbstätigkeit Armut verhindert und vor
Ausgrenzung schützt.
Bündelung von Leistungen
Kinder, die den GarantiePlus-Betrag bekommen, sollen zudem spezifische
Mehrbedarfe gewährt bekommen wie zum Beispiel ein Schulstarterpaket oder Kosten
von Klassenreisen und -ausflügen. Insgesamt gehen in der Kindergrundsicherung
das Sozialgeld für Kinder (im sog. Hartz IV), der Kinderzuschlag, Teile des
Bildungs- und Teilhabepakets, das Kindergeld und die Kinderfreibeträge auf. Hohe
Wohnkosten werden durch einen Zuschlag oder den Bezug von Wohngeld abgefedert.
Das Ganze ist mit einem einmaligen, gradlinigen Leistungszugang für jede Familie
verknüpft, um verdeckte Armut vollständig zu eliminieren: Zur Geburt des Kindes
wird die Kindergrundsicherung einmalig beantragt. Dabei können die Eltern
einwilligen, dass für sie automatisch geprüft wird, ob und in welcher Höhe ihnen
neben dem Garantie-Betrag, der GarantiePlus-Betrag der Kindergrundsicherung
zusteht.
Der Kosten dieser Kindergrundsicherung sind mit jährlich zusätzlich 10
Milliarden Euro erheblich. Wir sind aber bereit, diese Herausforderung zu
stemmen. Wir wollen im Kern die heutige Familienförderung vom Kopf auf die Füße
stellen. Wir wollen und können so endlich Kinderarmut wirksam verhindern und
gleichzeitig alle Familien fair unterstützen. Den Willen dazu haben die letzten
Koalitionen im Bund nicht aufgebracht; gleichwohl haben sie in vergleichbarem
Milliardenumfang Mittel für die sog. Mütterrente oder das Baukindergeld
bereitgestellt.
Bundesratsinitiative Kindergrundsicherung auf den Weg bringen
Wir fordern die Bayerische Staatsregierung auf, eine Bundesratsinitiative
Kindergrundsicherung mit den oben skizzierten Eckpunkten auf den Weg zu bringen.
Verschiedene Bundesländer hatten schon sehr reserviert auf das sogenannte
Familienstärkungsgesetz der Bundesregierung reagiert und ihrerseits für eine
Kindergrundsicherung plädiert. Bayern sollte sich ihnen anschließen um endlich
einen Durchbruch beim Kampf gegen Kinderarmut und für eine faire
Familienförderung zu schaffen. Damit jedes Kind in Deutschland gerecht teilhaben
kann, unabhängig von den individuellen Startchancen und Möglichkeiten.
Unterstützer*innen
- Katharina Schulze (KV München-Stadt)
- Eva Lettenbauer (KV Donau-Ries)
- Maximilian Deisenhofer (KV Günzburg)
- Manuela Rottmann (KV Bad Kissingen)
- Melanie Melitta Hippke (KV Augsburg)
- Heidi Terpoorten (KV Donau-Ries)
- Erhard Grundl (KV Straubing-Bogen)
- Stefan Schmidt (KV Regensburg)
- Margarete Bause (KV München-Stadt)
- Beate Walter-Rosenheimer (KV Dachau)
- Mechthild Destruelle (KV Neu-Ulm)
- Bernhard Thrul (KV Memmingen)
- Peter Rauscher (KV Augsburg-Stadt)
- Daniel Pflügl (KV Memmingen)
- Christina Mader (KV Oberallgäu)
- Helmut Meisel (KV Neu-Ulm)
- Holger Greif (KV Neu-Ulm)
- Daniel Schipfel (KV Neu-Ulm)
- Uwe Kekeritz (KV Neustadt a.d. Aisch-Bad Windsheim)
- Claudia Roth (KV Augsburg-Stadt)