Veranstaltung: | Landesdelegiertenkonferenz | 19.-20. Oktober 2024 | Würzburg |
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Tagesordnungspunkt: | Fortsetzung TOP 7 Anträge |
Antragsteller*in: | LAG Landwirtschaft, Wald und Ländliche Entwicklung (dort beschlossen am: 19.09.2024) |
Status: | Eingereicht |
Eingereicht: | 19.09.2024, 21:33 |
A11: Für eine umwelt- und tiergerechte Tierhaltung als Teil einer naturgerechten Landwirtschaft in Bayern
Antragstext
Präambel
Die Nutztierhaltung steht im Zentrum der Landwirtschaftspolitik und berührt
wesentliche gesellschaftliche Fragen: den Schutz unserer Umwelt, das Wohl der
Tiere, die Zukunft unserer Ernährung und die Sicherung der bäuerlichen
Landwirtschaft. Angesichts der drängenden Herausforderungen durch den
Klimawandel, des fortschreitenden Verlusts der Biodiversität und der wachsenden
ethischen Bedenken gegenüber der industriellen Tierhaltung ist ein grundlegender
Umbau der Nutztierhaltung unerlässlich.
Wir Grüne stehen für eine nachhaltige, tiergerechte und klimafreundliche
Landwirtschaft. Es ist an der Zeit, die Versäumnisse der Vergangenheit zu
korrigieren und den Weg in die industrielle Landwirtschaft zu verlassen. Bayern
hat die Chance, eine Vorreiterrolle in diesem Wandel einzunehmen mit einer
Landwirtschaftspolitik, die die richtigen Weichen stellt, um die Interessen von
Mensch, Tier und Natur in Einklang zu bringen.
Wir wollen eine Landwirtschaft in Bayern, die nachhaltig gesunde und sichere
Lebensmittel erzeugt. Gemeinsam mit den Betrieben der handwerklichen
Lebensmittelverarbeitung ermöglichen die Landwirtinnen und Landwirte unsere
zukünftige regionale Lebensmittelversorgung und steigern die Wertschöpfung in
den ländlichen Regionen in Bayern.
Für Artenvielfalt und den Klimaschutz brauchen wir einen Wandel in der
Landwirtschaft und in der Agrarpolitik. Wir sind für eine massive Reduktion des
Importes von Futtermitteln und damit auch einer Reduzierung der zusätzlichen
Einträge in unser Ökosystem, wir sind für eine erhebliche Pestizidreduktion, wir
sind für den Erhalt unserer Kulturlandschaften, die unsere Bayerische Heimat
ausmachen, aber auch für den Tourismus eine große Rolle spielen.
Unser Weg ist der einer Kreislaufwirtschaft und einer standortangepassten
flächengebundenen Tierhaltung.
Landwirtschaftliche Tierhaltung als Teil einer naturgerechten und
standortangepassten Landwirtschaft
Die natürliche Beziehung zwischen Wiederkäuern und Graslandist das Ergebnis
einer jahrtausendealten Evolution. Rinder, Schafe und Ziegen sind perfekte
Grasverwerter und helfen auf extensiv beweidetem Grünland dabei, Kohlenstoff zu
speichern.Der Kuhfladen ist ein wahrer Hotspot der Artenvielfalt. Allein in der
Unterfamilie der Dungkäfer bietet er Lebensgrundlage für über 33 verschiedene
Arten.
Im Hinblick auf den Klimaschutz geht es darum, den CO2-Ausstoß durch die
Landwirtschaft zu reduzieren und eine Landwirtschaft zu betreiben, die die
Qualität von Böden als Kohlenstoffspeicher Speicher erhält und verbessert.
Beweidung spielt hier eine Hauptrolle.
Dauergrünland bedeutet für Klimaschutz und Artenvielfalt erheblich viel. Vor
allem im Alpenvorraum und den Alpen gibt es noch viel Dauergrünland, das mit
Weidewirtschaft und dem Verfüttern von Heu gut erhalten werden kann. Diese
Wirtschaftsweisen richtig zu managen und auszubauen, ist ein zentraler
Bestandteil einer grüner Landwirtschaftspolitik. Dabei gilt es auch Überweidung
und Intensivierung zu verhindern und richtige Beweidung, etwa durch Behirtung,
zu fördern.
Die Ökosystemleistung für Klima- und Artenschutz durch Tiere in der
Landwirtschaft ist für uns auch das Kriterium, wenn wir die Flächenkonkurrenz
kritisch in den Blick nehmen. Nach wie vor ist der Flächenverbrauch durch
Gebäude und Straßen, (meist von landwirtschaftliche Flächen) mit 11 ha täglich
zu hoch, das entspricht etwa dem Drittel eines durchschnittlichen
landwirtschaftlichen Betriebes in Bayern. Wir stehen für das 5 ha Ziel.
46 % der Gesamtfläche Bayerns wird landwirtschaftlich genutzt, davon 65 % als
Ackerfläche und etwa 35 % als Grünland (1 % Sonstiges). Etwa die Hälfte der
Ackerfläche für den Anbau von Futtermitteln genutzt, bis zu einem Drittel für
die Erzeugung von pflanzlichen Nahrungsmitteln und 21 % für den Anbau von
Energiepflanzen.
Die Ökosystemleistung ist auch Kriterium für Tierfutter (vor allem für Schweine,
Hühner, aber auch Rinder) vom Acker. Wir sind für eine Reduzierung der
Anbauflächen von Tierfutter zu Gunsten von Flächen zur menschlichen Ernährung,
um den Anteil der Lebensmittelproduktion in Bayern und die Selbstversorgung etwa
mit Gemüse und Leguminosen für die menschliche Ernährung zu erhöhen.
Wir brauchen eine kluge und vielfältige Nutzung der Kulturpflanzen, um die
wachsende Nachfrage nach postfossilen Rohstoffen, Stichwort Bioökonomie, mit
ökologisch verträglichen Pflanzenanbau zu kombinieren. Bei der
Lebensmittelproduktion entsteht nicht-essbare Biomasse, z.B. Stroh bei der Ernte
von Getreide und Leguminosen; Spelzen oder Presskuchen in Mühlen und Ölmühlen;
Treber beim Brauen; Molke bei der Käseherstellung oder auch Kleegras als Teil
ökologischer Fruchtfolgen. In naher Zukunft wird ein steigender Anteil davon
auch für die Produktion vegetarischer Nahrungsmittel genutzt werden, z.B. durch
Fermentation oder als Substrat für Pilze. Der große Rest muss wie bisher wieder
in den landwirtschaftlichen Kreislauf zurück. Als Tierfutter können aus diesen
Reststoffen hochwertige Lebensmittel erzeugt werden und als Substrat für
Biogasanlagen erneuerbare Wärme und Strom. Aus der Tierhaltung und Biogasanlagen
entsteht am Ende der Kaskade wichtiger organischer Dünger.
Auf die tierhaltenden Betriebe in Bayern kommen große Herausforderungen zu:
Sinkender Fleisch- und Milchkonsum, die steigenden gesellschaftlichen
Anforderungen an den Tierschutz, internationale Konkurrenz und der Klimawandel
machen ein „Weiter so!“ unmöglich. Wir werden die bäuerlichen Betriebe in Bayern
auf neuen Wegen unterstützen. Wir freuen uns über die Fördermittel, die das
Bundeslandwirtschaftsministerium unter Cem Özdemir für den Umbau der Tierhaltung
und das „Chancenprogramm Höfe“ zur Verfügung stellt. Zudem bringt eine bessere
Kennzeichnung der Haltung und Herkunft von Tieren auf den Produkten den
Verbraucher*innen mehr Macht, die Landwirtschaft zu unterstützen, die sie
wollen.
Flächengebundene, standortangepasste Tierhaltung und eine Reduzierung der
Tierbestände und ein niedrigerer Fleischkonsum sind möglich. Seit Jahren sinkt
der Fleischkonsum und pflanzliche Alternativen zu Fleisch und Milch werden immer
besser und verfügbarer. Uns ist dabei wichtig, dass auch pflanzliche Proteine
möglichst regional und biologisch angebaut und zu sicheren Lebensmitteln
verarbeitet werden. Wir müssen verhindern, dass vegane Produkte hochverarbeitet
und hauptsächlich in großindustriellen Strukturen und mit patentierten Verfahren
hergestellt werden. Doch in Europa gibt es mit der Novel Food Verordnung eine
gute Grundlage für die Bewertung neuer Lebensmittel.
Eine andere Landwirtschaftspolitik und ein verändertes Kaufverhalten der
Verbraucher*innen gehen Hand in Hand. Die öffentliche Beschaffung und ein
entsprechende Anpassung der Gerichte in der Gemeinschaftsgastronomie sind die
großen Hebel für eine klimafreundlichere, nachhaltigere und gesündere Esskultur.
Um ein anderes Konsumverhalten zu ermöglichen und zu fördern, müssen wir
regionale Wirtschaftskreisläufe unterstützen und entsprechende Verarbeitungs-
und Vermarktungsstrukturen entlang der Kette Landwirtschaft, Handwerk, Handel
erhalten bzw. wieder aufbauen.
Wir wollen die bäuerliche Landwirtschaft erhalten, kleine und mittlere Betriebe
leisten einen wichtigen Beitrag zur Nahrungsmittelversorgung, zur Sicherung
wirtschaftlichen Existenzen und schaffen Arbeitsplätze auch im Nebenerwerb und
in Kombination mit anderen Erwerbsmöglichkeiten (z.B. Ferien auf dem Bauernhof).
Wegen ihrer Beiträge für die Kulturlandschaft ist sie unverzichtbar.
Gerade in Bayern wächst ein erfolgreiches Netzwerk von Landwirt*innen,
Unternehmer*innen und Wissenschaftler*innen, die mit pflanzlichen Proteinen
erfolgreich sind. Wenn wir diese Strukturen gut unterstützen, entsteht eine
große Chance für Landwirt*innen in Bayern. Wir wollen, dass besonders auch die
öffentliche Hand ihre Nachfragemacht nutzt und damit den Weg bereitet ein
anderes Konsumverhalten zu ermöglichen und zu fördern.
Forderungen
Wir setzen auf die Förderung ökologischer Landwirtschaft, flächengebundener
Tierhaltung, von Tierwohl und der Kreislaufwirtschaft
Wir unterstützen den ökologischen Umbau mit einer verlässlichen und starken
Förderung für Betriebe, die auf ökologische Landwirtschaft umstellen.
Insbesondere kleine und mittlere Betriebe sollen hierbei unterstützt werden. Wir
schaffen Anreizsystem, die landwirtschaftliche Kreisläufe stärken, um den
Einsatz von chemischem Düngemittel und Pestiziden zu reduzieren und die
Bodengesundheit zu fördern. Die Förderung lokaler und nachhaltiger
Futterproduktion soll verstärkt werden, um den Sojaimport zu reduzieren.
Flächenbindung und standortangepasste Tierhaltung muss zum Kriterium staatlicher
Förderung werden.
Wir wollen den Erhalt und den Ausbau von Dauergrünland durch gezielte Programme
erhalten und erweitern.
Die Bestandserweiterung soll nicht mehr Kriterium für die Förderung von
Stallbauten sein. Wir wollen gezielt den Um- oder Neubau von kleinen Ställen für
mehr Tierwohl fördern.
Um den Tieren den bestmöglichen Komfort zu bieten, muss in die Ausstattung der
Ställe, in Freilauf und Weide investiert werden. Förderprogramme für die
Umgestaltung und den Neubau von Ställen, die modernen Tierwohlstandards
entsprechen, sollen ausgebaut werden. Dies umfasst auch Anpassungen, die
notwendig sind, um den Anforderungen des Klimawandels gerecht zu werden, wie
Hitzeschutz, Belüftung und flexible Stallkonzepte.
Neue wissenschaftliche Erkenntnisse müssen systematisch in die Gestaltung von
Haltungssystem einfließen. Hierzu gehören Erkenntnisse über das Verhalten, die
Bedürfnisse und die physiologischen Veränderungen der Tiere.
Neben Investitionshilfen sollen finanzielle Anreize geschaffen werden, die den
Übergang zu nachhaltigeren und tiergerechteren Haltungsformen erleichtern. Zudem
sollen Betriebe unterstützt werden, die auf nachhaltige Produktionsweisen
umstellen und dabei kurzfristig wirtschaftliche Einbußen in Kauf nehmen müssen.
Der Wandel erfordert eine Veränderung der Routinen und Gewohnheiten in der
Landwirtschaft. Schulungs- und Beratungsangebote, die Landwirt*innen helfen,
neue Arbeitsmethoden und Technologien zu adaptieren, sind unerlässlich. Dazu
gehört auch die psychologische Unterstützung in einem Sektor, der mit vielen
Unsicherheiten und Belastungen konfrontiert ist.
Bei den Zuchtzielen sind wir für eine Abkehr von der Leistungsoptimierung,
dagegen müssen Ziele wie Gesundheit, artgerechte Ernährung, Lebensalter
verbindlich festgelegt werden.
Wir fördern kleine Schlachthöfe, das lebensmittelverarbeitende Handwerk, die
Verarbeitung weiterer tierischer Produkte und entsprechende Initiativen im
Handel, um kurze Wege und regionale Wirtschaftskreisläufe zu unterstützen bzw.
zu schaffen.
Wir unterstützen das Lebensmittelhandwerk, Gastronomie und Kantinen und Mensen
bei der Umstellung auf ökologische Lebensmittelproduktion und Bio-Essen.
Wir setzen uns dafür ein, Hauswirtschafter*innen und Köch*innen in Theorie und
Praxis so auszubilden, dass sie pflanzliche Alternativen einsetzen, Gerichte
frisch zubereiten und alle Teile eines Tieres verwerten können.
Wir sind für eine stärkere Förderung der Forschung und Entwicklung pflanzlicher
Proteinalternativen sowie die Unterstützung von Start-ups, Landwirt*innen und
kleineren und mittleren Unternehmen, die in diesem Bereich innovativ tätig sind.
Wir werden die Verbraucher*innenbildung und Ernährungsbildung in Kitas, Schulen
und in der Erwachsenenbildung ausbauen.
Unterstützer*innen
- Bernhard Zimmer (BV KPV Bayern)
- Miriam Bergmann (KV Aschaffenburg-Land)
- Maria Krieger (KV Kelheim)
- Alexander Rohde (KV Freyung-Grafenau)
- Tom Aurnhammer (KV Nürnberg-Stadt)
- Doris Wagner (KV München)
- Ulrike Schweiger (KV Berchtesgadener Land)
- Monir Shahedi (KV Regensburg-Stadt)
- Claudius Rafflenbeul-Schaub (KV Miesbach)
- Gabriele Masch (KV München)
- Paulus Maximilian Guter (KV Erlangen-Stadt)
- Viola Grießhammer (KV Ansbach)
- Karin Scherer (KV Erlangen-Land)
- Thomas Gehring (KV Oberallgäu)
- Christina Mader (KV Oberallgäu)
- Veronika Leiner (KV Oberallgäu)
- Marc Holland (KV Kempten)
- Werner Koch (KV Nürnberg-Land)
- Thomas Holler (KV München-Land)
- Laura Weber (KV Weiden)
- Reiner Kurzmann (KV Nürnberg-Land)
- Mia Peters (KV München)